Unaufhörlich starrt Jasmin auf ihr Telefon. Schon den ganzen Tag wartet sie auf einen Anruf von ihrem Maik, aber nichts tut sich.
„Was ist los, warum ruft er nicht an“, denkt sie bei sich.
Er hatte mir doch versprochen sich zu melden, schon seit Montag und heute ist schon Freitag. Ist ihm irgend etwas passiert, hatte er vielleicht einen Unfall? Maik fährt den ganzen Tag für eine Spedition als Kraftfahrer, oft ist er bis spät in die Nacht unterwegs und kommt dann völlig übermüdet nach hause, aber bisher hatte er wenigstens noch die Zeit gefunden sich zu melden. Manchmal schickte er auch nur eine kurze Nachricht, daß er gut angekommen ist, immer mit ein paar lieben Worten für seine Jasmin, aber in der letzten Zeit werden die Anrufe immer seltener, die Abstände zwischen ihnen immer größer und nun hat er sich schon eine Woche nicht mehr gemeldet. Man sieht ihr an, daß sie mit dieser Ungewißheit nicht klar kommt, auch wenn sie versucht ihre Gefühle zu überspielen, wer sie kennt, merkt es ihr an. Sie ist traurig. Sollte sie sich so sehr in ihm getäuscht haben? Dabei war ihre Liebe doch noch so jung, da hätte das Telefon gar nicht „still stehen“ dürfen. „Vielleicht ist sein Telefon ja auch defekt, ich werde ihm einen Brief schreiben, den muß er bekommen und dann werde ich ja sehen wie er darauf antwortet“. Gesagt, getan, sie setzt sich auf ihr Bett und beginnt zu schreiben. „Lieber Maik, nachdem ich nun eine Woche auf einen Anruf von Dir gewartet habe und Du Dich bis heute nicht gemeldet hast, nehme ich an, daß Lilienthal nicht mehr „Funktelefon tauglich ist“. Aus diesem Grund und um zu wissen wie es Dir geht, habe ich mich entschlossen heute den „altmodischen“ Weg zu gehen, ich schreibe Dir einen Brief.“ Alles, was ihr auf der Seele gelegen hat schrieb sie in ihre Zeilen. Dann schickte sie diese ab, in der Hoffnung jetzt eine Antwort auf ihre Fragen zu bekommen. Wieder verging eine lange Zeit und wieder bekam sie keine Antwort. Sie war sauer. „Auf meine SMS reagiert er nicht, auf meinen Brief hat er nicht geantwortet, jetzt fällt mir nichts mehr ein, was ich noch tun könnte. Nun ist er am Zug, entweder er meldet sich in der nächsten Zeit oder unsere Beziehung ist dann wohl doch am Ende.“
Ihr wird schwer ums Herz. Sollte wirklich schon wieder eine Beziehung beendet sein? Der Schmerz wäre nicht mehr so groß, wie beim ersten Mal, aber trotzdem tut das Herz weh. Das Telefon klingelt. „Hallo, hier ist Beate, willst Du nicht heute Abend mit uns mitkommen? Wir wollen ins Kino und anschließend zur Disco.“ „Eigentlich nicht,“ sagt Jasmin, „ich habe keine Lust, mir ist im Moment nicht nach feiern.“ „Komm, sei kein Frosch, das bringt Dich auf andere Gedanken. Sonst hängst Du nur rum und vergräbst Dich.“ „ In Ordnung, ich gehe nur schnell unter die Dusche und mache mich fertig, dann komme ich zu Dir rüber.“ Eine Stunde später steht Jasmin bei Beate vor der Tür. „Hast´ Dich aber in Schale geschmissen, willst wohl was aufreißen heute Abend?“ „Beate!“, sagt sie mit einem Kopfschütteln. „Ja ich weiß, aber warum denn eigentlich nicht. Also wenn mich ein Typ so lange warten lassen würde, dann hätte ich ihm schon längst den Laufpass gegeben. Die Kerle müssen doch nicht denken, daß sie uns auf der Nase herumtanzen können. Schließlich gibt es nicht nur den Einen.“ Gut gesagt, dachte Jasmin so bei sich, aber sagen ist das Eine, es tun etwas ganz Anderes. Trotzdem werde ich mich heute Abend amüsieren. Zuerst gingen sie ins Kino. Die Zeit bis zur Disko wollten beide nicht zu Hause verbringen. Der Film im Kino war nicht sehr berauschend. Die Werbung, die nun schon über zwei Wochen dazu läuft hat wieder einmal mehr versprochen, als der Film halten konnte. Anschließend in der Disco waren an diesem Abend auch nur die Typen, die jedes Mal hier sind. Aber was war das?
Hatte sie da eben nicht ihren Freund gesehen? Nein, das kann nicht sein! Er hatte doch gesagt, er hat keine Zeit hat, viel zu tun, eine Arbeitsstelle in Schaumburg oder so ähnlich – und jetzt? Sollte er doch hier in der Disco sein? Das wollte sie genau wissen und ging dem Mann hinterher. Das kann doch wohl nicht war sein, dachte sie bei sich, da lässt er tagelang nichts von sich hören und dann treffe ich ihn hier. Sie konnte es nicht fassen, wenn sie nun nicht mitgegangen wäre, wenn Beate sie nicht überredet hätte heute mitzukommen, sie hätte nie herausbekommen, dass er heute Abend hier ist. Weinend und wütend zugleich suchte sie ihre Freundin. „Ich will nach hause, laß uns hier verschwinden!“ „Warum willst du jetzt schon gehen, der Abend fängt doch gerade erst an und ich habe gerade einen so süßen Jungen im Auge“. Ich will nicht länger hier bleiben, Maik ist hier und auf ein Zusammentreffen mit Ihm kann ich heute Abend verzichten!“ „Ich versteh` Dich nicht“, sagt Beate. „Erst schmachtest Du Abend für Abend zu hause, dann trifft sie ihren Lover in der Disco und will nichts von ihm wissen. Laß Dir doch von ihm erklären, warum er sich nicht gemeldet hat, vielleicht gibt es eine einfache Erklärung, warum er sich nicht gemeldet hat.“ „Komm laß uns gehen, ich habe keinen Bock auf irgendwelche Erklärungen, wenn er mir etwas zu sagen hat, dann soll er sich gefälligst bei mir melden und nicht so per Zufall in der Disco. Ich werde dann wieder weich und lasse mich um den Finger wickeln und er kommt um seine Aussprache herum. Nein, so will ich das nicht. Wenn Du noch hier bleiben willst, dann gehe ich allein nach hause.“ Beate schaut sie mit großen Augen an. Was sollte sie nun machen? Auf der einen Seite wollte sie ihre Freundin nicht im Stich lassen, andererseits fand sie den Jungen so schnuckelig und wer weiß, wann der wieder hier auf der Bildfläche erscheint.
Was sollte sie jetzt machen, wie sollte sie sich entscheiden? „Bist Du mir sehr böse, wenn ich noch etwas hier bleibe, ich möchte doch sehen wie der kleine da hinten so ist. Vielleicht wird es ja auch ein Flop, dann komme ich bald nach.“ „Ist in Ordnung, ich gehe dann schon los. Wenn Du noch kommen willst, ich bin zu hause, bis dann.“ Sie holte ihre Sachen von der Garderobe ab und ging zum Taxistand. Gerade als sie in das Taxi einsteigen wollte, rief jemand hinter ihr her. „Jasmin, warte!“ Ganz außer Atem kommt Peter zum Taxi gelaufen. Peter war ihr verflossener, eigentlich ein prima Kumpel, aber durch unglückliche Umstände hatten beide sich aus den Augen verloren und mindestens ein halbes Jahr nicht mehr gesehen.
„Mensch Peter, das ist aber eine Überraschung, was machst Du denn hier? Ich denk´ Du wolltest nach Berlin ziehen und dort Dein Studium anfangen?“ „Hallo meine kleine Maus, da staunst Du, was. Ja, ich wohne auch in Berlin, aber ab und an komme ich noch hierher. Heute Abend ist nicht so sehr viel los hier, wollen wir nicht noch irgendwo ein Glas trinken gehen? Ich lade Dich ein“. Die Idee ist gut, dachte sich Jasmin, ein bischen über die alten Zeiten plaudern, mal sehne was so in der letzten Zeit passiert ist. Gesagt, getan, Peter nimmt sie mit zu seinem Auto und beide fahren in ihre Lieblingskneipe. Schnell ist der Frust über ihren Freund vergangen und Jasmin hat nur noch Augen für Peter. Warum ist das mit ihnen beiden eigentlich ausein-ander gegangen, das konnte sie bis heute nicht verstehen. Er war doch so ein lieber Kerl, in ihrer gemeinsamen Zeit hatten sie sich nicht ein einziges Mal gestritten, kein lautes Wort. Immer fand Peter die richtigen Worte und eine Verabredung mit ihr verpassen, ohne sich wenigstens rechtzeitig zu melden, so etwas kannte sie von ihm überhaupt nicht. Nach über zwei Stunden waren beide so mit sich beschäftigt, dass Jasmin all ihre Probleme vergessen hatte.
„Willst Du nicht mit zu mir kommen“, fragte sie Peter und der ließ sich nicht lange bitten. Bei ihr zu hause angekommen, zogen sie sich bereits im Flur gegenseitig ihre Sachen aus. Den ganzen Weg bis zum Bett lagen Schuhe, Socken, Hosen und andere Kleidungsstücke verstreut auf dem Fußboden. Mit einer gekonnte Handbewegung schaffte es Jasmin gerade noch die Tür zu ihrem Zimmer zu schließen und dann versanken beide im Spiel ihrer Gefühle.
Am nächsten Morgen, die Sonne blinzelte bereits durch einen Gardinenspalt, lagen beide immer noch erschöpft von der Nacht verschlungen ineinander. Keinerlei Schuldgefühle, keine Angst vor peinlichen Fragen, einfach nur glücklich, so fühle sich Jasmin in diesem Augenblick und als Peter sie dann noch fragte, „ wollen wir nicht beide wieder zusammenkommen “?
Da war ihre Welt wieder völlig in Ordnung.