der letzte Kuß

Einen letzten Kuß, bevor wir auseinander gehen – bittet er sie, seine Augen schon fast geschlossen, den Kopf leicht nach vorn gebeugt

Graue, dicke Wolken, die fast zum greifen nah erscheinen, liegen über ihnen, schwer wie eine dicke, triefnasse Wolldecke.
Laß uns heute Mittag nicht im Restaurant essen, ich habe dir etwas zu sagen und möchte dabei niemanden, außer uns beiden, in unserer Nähe haben.
Sie gehen zum Wagen, er öffnet die Beifahrertür und bittet sie einzusteigen. Nachdem auch er eingestiegen ist, läßt er den Motor an und fährt, gedankenversunken, zielsicher zu einem kleinen Platz in einem Birkenwäldchen.
Der Wagen hält, sie steigen aus und mit einem Knopfdruck an der Fahrertür öffnet er die Heckklappe des Kombi. Laß uns hinten im Kofferraum sitzen, hier ist Platz genug für uns beide und sollte es regnen, dann haben wir gleich ein Dach über dem Kopf.
Sie lächelt, geht um den Wagen herum und setzt sich, fast gleichzeitig mit ihm, auf den Rand des Kofferaumes.
Ich liebe dich und möchte dich nicht verlieren, sagt er zu ihr. Ich weiß, ich habe dich in letzter Zeit vernachlässigt,
ich hätte viel mehr mit dir unternehmen müssen, doch hat mir die Arbeit einfach keine andere Wahl gelassen.
Es geht so nicht weiter, sagte sie mit ruhiger Stimme zu ihm, ich werde mich von dir trennen, denn egal was auch immer ich mache, du wirst dich nicht für mich und die Kleine entscheiden. Ihre Stimme klingt angespannt und zittert leicht.
Seine Augen beginnen trübe zu werden, er senkt seinen Kopf und versucht ein letztes Mal sie auf seine Seite zu ziehen.
Laß uns zusammen an einem anderen Ort neu anfangen nur du, die Kleine und ich, laß uns weit weg von hier von Neuem beginnen.
Gib mir noch ein halbes Jahr Zeit, meine Sachen zu ordnen, bis dahin werden wir allerdings mit unserem Kompromiss leben müssen.
Du hier und ich so oft ich kann bei dir, bei euch.
Die Augen übervoll mit dem salzigen Wasser der Trauer, laufen langsam kleine Rinnsale von Tränen an seinem Gesicht die Wangen herunter. Er kann seine Gefühle nicht mehr unterdrücken, allzu lang hat er versucht, diesen Anblick von ihr fern zu halten.
Er senkt seinen Kopf auf ihre Schulter, sie lehnt den ihren an den seinen.
Warum nur ist dies alles so kompliziert, warum kann es nicht eine einfache, für alle vernünftige Lösung geben, warum habe ich dich nicht schon vor Jahren kennengelernt. Wo warst du, als ich einen Menschen wie dich gesucht habe. Mit gebrochener Stimme, ein Stück Zellstoff in der Hand, um dem Weg der Tränen Einhalt zu gebieten, umfaßt sein linker Arm ihren Oberkörper, während die Hand des rechten Arms versucht mit dem Taschentuch die Tränen aufzusaugen.

Er drückt sie an sich heran, wohl im Innern wissend, daß dieses das letzte Mal sein wird . . .