Anka

Den Aufschlag noch gespürt, das Gefühl von Wärme um den Kopf noch erlebt, schließe ich meine Augen . . .

Hast du schon gehört, der ehemalige Freund von Anka ist ums Leben gekommen. Er soll von einem Gerüst gestürzt sein, mit dem Kopf auf die Straße aufgeschlagen, kein schöner Anblick. Sie sollen ihn mit dem Kopf in einer Lache von Blut gefunden haben.
Es gab keine Möglichkeit ihn zu retten, soll der Notarzt gesagt haben.

Ein Mitarbeiter der Kriminalpolizei klingelt an einer Haustür. Ihm öffnet eine junge Frau, sie mag ungefähr Mitte zwanzig sein.
Kriminalpolizei, Hauptkommissar Wegner, darf ich reinkommen, fragte der Beamte. Die Frau bittet ihn höflich einzutreten. Sie gingen die Treppe nach oben in die Wohnung, den Flur entlang in das Wohnzimmer.
Warum sind sie hier, fragte die junge Frau. Sie sind Frau Schweigert, fragte Hauptkommissar Wegner? Ja, erwiderte sie, warum fragen sie, was ist eigentlich der Grund, daß sie mich aufsuchen? Kennen Sie eine gewissen Herrn Kördhar? Es ist schon lange her, daß ich diesen Namen gehört habe, aber, ja, ich habe ihn gekannt. Er lebte eine Zeitlang bei uns, er war der Freund meiner Mutter. Also sind Sie nicht Frau Schweigert, warf der Beamte ein. Doch, ich bin Narthelia Schweigert, die Tochter von Anka Schweigert. Dann bin ich hier offensichtlich doch richtig.
Ich habe die undankbare Aufgabe ihnen mitzuteilen, daß Herr Kördhar heute Vormittag verunglückt ist, er wurde auf einer Baustelle tot aufgefunden. Wir können derzeit noch keine Aussagen zu dem eigentlichen Hergang des Unfalls machen. Des Unfalls, fragte die Frau etwas ungläubig. Sind sie sicher, daß es ein Unfall war.
Zweifeln Sie daran, daß es ein Unfall gewesen sein kann, fragte der Beamte bestimmt. Soweit ich es in Erinnerung habe, war er ein sehr vorsichtiger Mensch, der eher einen Schritt zweimal bedachte, bevor er ihn tat, an einen Unfall kann ich nicht so wirklich glauben.
Erzählen Sie mir doch mal, Sie scheinen Herrn Kördhar näher gekannt zu haben.

Und sie begann zu erzählen

Es ist schon ein paar Jahre her, daß ich ihn hier bei uns das erste Mal gesehen habe. Damals war er, wie schon erwähnt, noch mit meiner Mutter zusammen. Wenn ich mich zurück erinnere, dann war es eine schöne Zeit. Wenn er da war, hat er, haben wir oft etwas zusammen unternommen, wenn er es einrichten konnte. Wir gingen zusammen ins Kino, machten den einen oder anderen Ausflug, waren zusammen im Schwimmbad, fuhren uns die Stadt ansehen und waren sogar zusammen im Urlaub.
Aber dann kam ein Tag, an dem sich alles änderte.
Meine Mutter hat mir an diesem Tag gesagt, daß er sich nie für uns entscheiden würde und wir nicht darauf zu hoffen brauchten, daß wir wirklich eine Familie werden. Ich habe ihr damals gesagt, daß mir das egal ist. Ich mochte ihn, ob nun als Mann an der Seite meiner Mutter oder als guten Freund, der er für mich war.
Kurz nach diesem Gespräch, wir waren gerade auf einer Feier im Ort, hat sie diesen anderen Mann mit nach Hause genommen. Ein paar Tage später gab sie mir zu verstehen, daß dies jetzt ihr neuer Freund ist und daß Herr Kördhar nicht mehr zu uns kommen wird. Ich verstand die Welt nicht mehr. Es war doch, für mich zumindest, alles in Ordnung. Endlich ein Freund an Mutti´s Seite, der sich auch um mich gekümmert hat, der mit mir etwas unternommen hat. Er machte mit mir Hausaufgaben, war sogar zum Elternabend in die Schule. Ich weiß noch, wie er vorbeigekommen ist, weil es mir nicht gut ging, Mutti hatte ihn angerufen und er kam, und kümmerte sich um mich. Gut, er konnte meinen Vater nicht ersetzen, das wollte er auch gar nicht aber dennoch war er für mich da, wenn ich ihn um etwas bat.
Es war eine schöne Zeit für mich und noch lange danach habe ich mir gewünscht, sie wäre zurückgekehrt.
Nun gab es den neuen Freund. Ich hatte ihn zu akzeptieren, hatte sie mir damals unmißverständlich zu verstehen gegeben.
An einem Tag, meine Mutter war auf der Arbeit und ich allein zu Hause, holte mich Herr Kördhar wieder einmal ab, um mit mir etwas Zeit zu verbringen. Dies tat er, trotzdem die Beziehung zu meiner Mutter beendet war, immer unter der Bedingung, daß sie nichts dagegen hat und informiert war, was wir tun wollen und wo ich bin. Wir wollten uns die nahe gelegene Stadt ansehen, einfach in aller Ruhe bummeln gehen.
Es waren noch keine zehn Minuten her, daß wir von meinem zu Hause entfernt waren, als ich in seinem Auto in Tränen ausbrach. Er fuhr rechts an den Straßenrand und hielt an, weil ich nicht mehr aufhören konnte zu weinen. Es war einfach zu viel für mich. Die Emotionen schlugen auf mich ein, ich dachte die Welt bricht über mir zusammen. Ich bin mit der gesamten Situation und Entscheidung damals vollkommen überfordert gewesen. Mir fehlte einfach die Erfahrung, als Teenager, mitten in den ganzen Gefühlen, die auf einen in dem Alter ohnehin schon einwirken – es war einfach zu viel.
Er nahm mich in den Arm, redete mit ruhiger Stimme auf mich ein, versuchte mich zu trösten und zu beruhigen.
Es gibt im Leben Entscheidungen, die wir nicht immer verstehen, aber mit denen wir lernen müssen zu leben, auch wenn sie uns nicht gefallen und wir sie gern rückgängig machen würden. Viel später habe ich verstanden, was er damit meinte.
Ich habe jetzt zwar Einiges von Ihnen gehört über frühere Situationen, ihre Emotionen und etwas auch über Ihre Mutter aber warum sind Sie der Meinung, daß es kein Unfall gewesen sein kann?
Narthelia antwortet, er hat mir einmal gesagt, egal was auch immer in meinem Leben passieren wird, ich werde irgendwann eines nicht natürlichen Todes sterben.
„Nun“, sagte der Hauptkommissar, „dies ist zwar ein Argument, aber dennoch kein ausreichender Grund, daß es kein Unfall gewesen sein könnte“. Nach unseren bisherigen Recherche hat Herr Kördhar in den letzten Jahren versucht in verschiedenen Unternehmen eine Arbeit zu finden, was ihm mehr oder weniger gelang. Er war unter anderem bei einer Firma, die Schieferplatten für Fassaden herstellte, doch das Arbeitsverhältnis hat nicht lange gehalten, es waren nur drei Jahre. Übrigens hat die Firma ihren Sitz noch heute nicht weit von hier entfernt, sie könnten sie kennen, es ist die Firma „Schiefergold“, ungefähr 5 Kilometer von hier entfernt. Sie hielt kurz inne und überlegte. Sollte er es tatsächlich gewesen sein, der, der mir jeden Morgen, wenn ich zur Arbeit gefahren bin zugewunken hat, der mir oft an der Bahnschranke begegnet ist. Das kann nicht sein. Hatte meine Mutter doch gesagt, daß er weit weg, irgendwo im Ausland arbeiten sollte.
Man sah der jungen Frau ihre Unsicherheit und Verwirrung an, waren doch die Erzählungen ihrer Mutter für sie damals absolut glaubwürdig. Ich höre sie noch sagen, nicht allein, daß er sich nicht für uns entscheiden konnte, er hat sich auch noch aus dem Staub gemacht, einfach abgehauen ist er.
Narthelia erinnerte sich an eine Situation aus längst vergangener Zeit. Es war an einem Sonnabend, ihre Mutter saß vor dem Fernseher und hatte Tränen in den Augen. Ich hörte sie leise weinen und mit sich selbst reden, warum ist er jetzt nicht hier, warum muß ich dieses Wochenende wieder allein sein. Sie hatte gehofft mit ihm wieder ein paar schöne Stunden, ja das ganze Wochenende zusammen sein zu können, aber er war wieder einmal nicht da. Warum auch immer er an den Wochenenden nicht kommen konnte, hatte sie mir damals nicht erzählt. Mich hat das nicht so sehr gestört, hatte ich doch meinen Sport und meine Freundinnen, mit denen ich meine Zeit verbringen konnte. Doch in dieser Situation tat sie mir Leid.
Haben sie vielen Dank, sagte der Hauptkommissar und verabschiedete sich höflich. Ich finde allein raus. Im Büro angekommen, setzte er sich an seinen Schreibtisch und ging die Unterlagen noch einmal durch. Irgendetwas muß ich übersehen haben. Die Aussagen von der Frau Schweigert passen einfach nicht zu dem, was wir bisher zusammengetragen haben. Ich denke ich muß noch einmal ganz von vorn beginnen.

Ein greller Blitz schlug unweit von mir auf dem Acker ein. Meine Sachen waren schon vollkommen durchnäßt von dem starken Gewitterregen, aber ich wollte unbedingt wieder nach Hause. Warum muß mich auch ausgerechnet heute das Auto im Stich lassen und mein Telefon habe ich auch wieder einmal vergessen. Sicherlich macht sich Anka wieder Gedanken, daß ich mich nicht melde, hatte ich ihr doch versprochen nicht später als sechs Uhr am Abend bei ihr zu sein und jetzt ist es schon nach halb acht.
In der Ferne kann ich schon das Dorf sehen, in dem sie mit ihrer Tochter wohnt. Dieses Dorf, schon lange hatte ich mich nicht mehr so geborgen und aufgehoben gefühlt, wie an diesem Ort. Vor nun schon mehr als sechs Jahren hatte ich Anka kennengelernt. Eine außergewöhnliche Frau, die mitten im Leben stand. Sie zog ihre Tochter allein groß, war berufstätig, engagierte sich in einem Verein und ging dann noch, wenn es ihre Zeit erlaubte, einem Nebenjob nach. Eine Frau, in die ich mich von Anfang an verliebt hatte.
Es war an einem lauen Sommertag, als wir uns das erste Mal begegneten. Ich saß in einem Biergarten, allein in einer Ecke an meinem Tisch und beobachtete die Menschen. Sie kam geradewegs auf mich zu und setzte sich an meinen Tisch. Wir kamen ins Gespräch. Ich weiß heute gar nicht mehr, worüber wir uns eigentlich unterhalten haben. Aber nach gefühlten Tagen, es waren wohl ungefähr zwei Stunden vergangen, hatten wir beiden den Eindruck, uns schon einen Ewigkeit zu kennen.
Ich lade dich hiermit zu mir zu Kaffee und Bratwurst ein, sagte sie, bevor sie sich von mir verabschiedete. Wir hatten ein Date, eine Verabredung.
Wie lange war es her, daß ich das letzte Mal zu einer Verabredung gegangen bin oder etwa eingeladen wurde, ich konnte mich nicht mehr daran erinnern.
Die Zeit, bis zu unserem Treffen verging wie im Fluge. Es kam der verabredete Sonntag. Mein Herz begann zu rasen, je dichter ich dem Ort kam. Und da stand sie, mit großen Augen, einem Lächeln, das einem das Herz aufgehen ließ, und bat mich zu sich in die Wohnung. Es gab den versprochenen Kaffee und ein Stück selbstgebackenen Kuchen. Ich bin bei diesen Gedanken noch heute so aufgeregt, daß ich gar nicht mehr mit Bestimmtheit sagen kann, ob wir uns damals schon das erste Mal geküßt haben.
Die versprochene Bratwurst gab es auf jeden Fall auch noch aber nicht etwa bei ihr zu Hause, nein, hierfür sind wir ein Stück gefahren. An einer Straße, ringsum uns war Wald, steht eine Gaststätte und hier, an einem außenstehenden Grill, an dem es das ganze Jahr Bratwurst gab, so wurde mir versichert, bekam ich meine erste, und wie sie sagte einzig echte Bratwurst.
Nachdem ich das erste Stück der Wurst probiert hatte, ließ ihre Frage nicht lange auf sich warten. Und, wie ist sie, so eine Bratwurst bekommst du nur bei uns. Ich muß sagen, sie hatte Recht, wie sich später noch herausstellen sollte, eine Eigenschaft, die ihr zu eigen zu sein schien.
An diesem Tag wollte sie mir noch mehr von ihrer schönen Heimat zeigen. Wir fuhren zu verschiedenen, aus ihrer Sicht interessanten Orte, bis ich sie dann wieder nach Hause brachte. Artig, immer noch schüchtern, habe ich mich von ihr verabschiedet, nicht ahnend, daß wir uns sehr bald wieder begegnen sollten.

So ein Mist, fluchte ich laut, es wird Zeit, daß ich Feierabend mache. Es gibt Tage, an den ist es besser man bleibt zu Hause, dachte ich so bei mir. Wenn man sich auf die Zuarbeit anderer Gewerke verläßt, dann . . .

Ich packte meine Sachen und fuhr, wie jeden Abend, in mein Hotel. Wenigstens ein Lichtblick heute, die Kollegen wollten sich am Abend im Hotel zu einem kleinen Umtrunk treffen und ein bischen quatschen. Ich war schon vorgefahren, weil ich mich von dem Ärger erst abreagieren mußte. Schließlich konnten meine Kollegen nichts dafür, daß bei mir wieder einmal dicke Luft war.
Nachdem ich mich geduscht hatte, andere Sachen angezogen, meine waren von der Arbeit verdreckt, ging ich an die Hotelbar. Es war noch niemand weiter zu sehen und ich bestellte mir schon mal einen Kaffee. Alkohol würde es an diesem Abend sicherlich noch genügend geben. Nach ca. einer halben Stunde trudelten die ersten ein.
Bestell doch schon mal eine Runde, du weißt doch, daß der Kellner immer etwas Zeit braucht, bis er soweit ist, hörte ich Manu sagen. Und übrigens ich habe eine Überraschung für dich. Ja, red´ du mal, antwortete ich ihr, denn solche Sprüche hatte sie fast jeden Tag drauf und heraus kam dabei dann ein Gummibärchen, ein Keks oder irgend ein anderes Stück Naschwerk. Sie war halt ein kleiner Komiker und brachte uns oft zum Lachen.
Plötzlich, ich hatte mich gerade zum Fenster gedreht, hielten mir zwei Hände die Augen zu. Ich überlegte, wer das wohl sein konnte? Den Geruch der Hände konnte ich nicht zuordnen, das Parfüm, welches mir in die Nase stieg, roch ich heute zum ersten Mal. Es konnte also keiner der Kollegen sein, denn die waren entweder auf den Zimmern, sich den Geruch der Arbeit entfernen und der Rest war ja noch nicht an mir vorbeigekommen.
Rate doch mal wer ich bin, fragte eine Stimme. Ich wäre fast vom Hocker gefallen. Anka – sagte ich erstaunt und verwirrt zugleich. Anka, wo kommst du denn her und was machst du hier? Ich hätte ja mit Vielem gerechnet aber nicht, dich hier heute zu sehen“. Freust du dich, fragte sie mich mit einem überwältigenden Lächeln und großen, strahlenden Augen. Ich konnte ihr gar nicht sagen wie sehr. War ich mir doch nicht sicher, ob und wenn ja wann wir uns nach dem letzten Mal wiedersehen würden. In der Zwischenzeit kam Manu die Treppe herunter. Na, die Überraschung ist mir doch gelungen oder nicht. Absolut, ich bin vollkommen hin und weg. Deshalb hast du heute den ganzen Tag schon immer so gegrinst auf der Arbeit. Ich dachte mir schon, daß du etwas ausheckst aber darauf wäre ich im Traum nicht gekommen.
Wir haben uns beide noch eine Zeit zu den anderen gesetzt und mit ihnen getrunken, dann sind wir auf mein Zimmer gegangen. Am nächsten Morgen beim Frühstück hatte ich das Gefühl alle sahen nur uns an. Na, war wohl zu wenig Schlaf letzte Nacht oder? Wenn die wüßten. Wir haben uns beide nur angesehen und geschwiegen. Nach dem Frühstück ist sie dann noch mit zur Baustelle gekommen und anschließend wieder nach Hause zurück gefahren.

Ich wußte es, so kann es gewesen sein, sagte Hauptkommissar Wegner laut. Die Abdrücke auf dem Gerüst waren nicht eindeutig, es sah so aus, als ob jemand an den Begrenzungsstangen etwas verändert hat, was auf einen Fehler der Gerüstbauer oder ein bewußtes Entfernen schließen läßt. Also könnte der Kördhar auch selbst die Stange entfernt haben, um nicht über das Geländer klettern zu müssen. Ingo, das paßt aber nicht zu den Abdrücken der SpuSi, sagte sein Kollege Karl-Heinz Brohm. Die haben keine Fingerabdrücke an der gesamten Geländerfront und auch nicht an der herunterhängenden Stange gefunden und Handschuhe hatte er auch keine an, als er gefunden wurde. Selbst Fußspuren, die auf ein Wegrutschen bei dem glatten Unterboden herrühren könnte waren da keine. Mist, fluchte Hauptkommissar Wegner, ich dachte ich hätte endlich den Ansatz für einen Selbstmord. Ich denke immer noch an die Aussage der jungen Frau Schweigert. Irgend etwas stimmt da nicht, das sagt mir mein Bauchgefühl. Wenn er wirklich so vorsichtig war, wie sie gesagt hat, dann paßt da was nicht zusammen.

Es wird kalt draußen. Der Winter beginnt sich seine Zeit zu erobern. Ich muß aufpassen, daß ich nicht mit dem Wagen von der Straße abkomme oder noch auf den vor mir fahrenden auffahre.
Wieder kein Wochenende Zeit für Anka und sie hat es sich so gewünscht, daß wir zusammen zum Weihnachtsmarkt fahren. Wenn ich nicht bald etwas unternehme, dann werde ich sie verlieren. Oft genug hat sie jetzt schon Andeutungen gemacht. Daß sie nicht mehr die Wochenenden ohne mich verbringen will, daß ihr das Weihnachtsfest zuwider ist, weil sie dann immer allein da sitzt. Das hat sie nicht verdient, sage ich mir und nehme mir für das kommende Jahr ganz fest vor, mein Leben endlich in den Griff zu bekommen.
Was hältst du davon, wenn wir zusammen in den Urlaub fahren. das Kind würde sich bestimmt freuen und wir haben endlich einmal mehr Zeit für uns beide. Gesagt, getan, ich ging in das nächste Reisebüro und buchte für uns drei eine 2 wöchige Urlaubsreise. Zu Hause bei ihr angekommen, unterbreitete ich ihr die Überraschung. Offensichtlich hatte ich da die Rechnung ohne sie gemacht. Ich will das nicht, behalte dein Geld für dich. Ich möchte nicht, daß du uns was schenkst. Und außerdem würden wir uns beide sowieso nur in die Haare bekommen, so einen langen Zeitraum mit dir zusammen, da ist der Streit schon vorprogrammiert.
Ich war wie vor den Kopf gestoßen, hatte ich mich doch wirklich auf diesen Urlaub mit ihr und der Kleinen gefreut. Warum jetzt auf einmal diese Ablehnung, ich konnte es nicht verstehen und auf eine vernünftige Begründung brauchte ich gar nicht zu hoffen, daß hätte eher noch mehr Stress gegeben. Also, wieder zurück zum Reisebüro, ich hatte ihr die Tickets schon sicherheitshalber nicht gezeigt, und das ganze wieder storniert.
An diesem Abend haben nicht viel miteinander gesprochen. Jeder drehte sich auf seine Seite, versuchte aber auch nicht mit dem anderen ins Gespräch zu kommen, um nicht in irgendeiner Form eine Angriffsfläche für einen neuen Streit zu bieten. Die Sonne schickte ihre ersten Strahlen durch das angekippte Schlafzimmerfenster, ich wurde wach und drehe mich ganz langsam zu ihr herum. Vorsichtig, ihre Haut mehr ertastend denn berührend, streichelte ich ihr den Rücken. Begann mit dem Nacken, über die Schultern langsam an der Wirbelsäule entlang, immer wieder einmal nach rechts und links ausweichend und an den Seiten vorbei ihren Lenden zu. Je weiter ich dabei kam, umso tiefer und schneller wurde ihre Atmung. Sie schien also auch wach zu sein, regte sich aber nicht. Sie schien Gefallen an diesem Spiel zu haben. Als meine Finger bereits kurz vor ihren Beinen waren, drehte sie sich um. Jetzt aber auch von vorn, bitte, flüsterte sie mir zu.

Hauptkommissar Werner betrat gerade das Büro der SpuSi, als ihm ein Kolleg schon entgegenrief, na, du willst bestimmt zu mir wegen dem Fall Kördhar. Da scheint noch nicht alles klar zu sein. Wir haben hier schon zusammen gesessen und sind zu dem Ergebnis gekommen, daß es entweder ein perfekter Mord oder ein hervorragend inszenierter Selbstmord gewesen sein muß. Einen Unfall schließen wir zum derzeitigen Zeitpunkt aus. Das deckt sich genau mit meinen Überlegungen, nun müssen wir nur noch herausfinden, wer oder wie es gemacht wurde. Das ist jetzt dein Job, du willst doch auch was tun oder sollen wir hier alles machen, lachte der Kollege.
Das Telefon des Kommissars klingelte, am anderen Ende das Krankenhaus, er stand wie angewurzelt da. Das kann nicht sein, der Notarzt hat mir doch bestätigt, daß er den Sturz nicht überlebt hat und jetzt erzählen sie mir, er ist nicht mehr in eurem Kühllager. Was ist denn das für eine Schlamperei, wie konnte das passieren, ein Körper macht sich doch nicht selbstständig, ich bin auf dem Weg zu euch.
Kurze Zeit später war Kommissar Wegner im Krankenhaus, wo ihn schon der betreffende Arzt in Empfang nahm. Wir haben keine wirkliche Erklärung, was hier passiert ist, sagte der Stationsarzt Dr. Kuhn. Der angebliche Leichnam sollte Morgen zur Obduktion in die Gerichtsmedizin überführt werden und ist deshalb heute schon soweit vorbereitet worden, gewaschen und in das Kühlfach gelegt. Einer unserer Mitarbeiter hatte wohl die Tür nicht richtig verschlossen. Als er von seiner Pause zurückkam, stand der Schrank auf, der Tisch war ausgefahren und es war kein Körper mehr darauf. Wir haben sofort den gesamten Trakt abgesucht, ohne Erfolg. Wie lange ist das jetzt her, fragte der Kommissar bestimmend. So ungefähr eine Stunde. Na prima, und da rufen sie mich jetzt erst an, wer weiß was mit ihm in der Zwischenzeit passiert ist, vielleicht haben wir es hier ja auch mit einem Leichenräuber zu tun. So eine verdammte Scheiße! Er rief sofort die Kollegen der Spurensicherung an. Ich hab Arbeit für euch. Aus dem Krankenhaus ist unsere Leiche verschwunden. Sag mir nicht es ist der Kördhar, fragte am anderen Ende der Kollege. Genau der. Na das ist doch mal ein Fall, nicht wie die anderen.
Durch die Nacht huscht eine Gestalt in einem grünen Kittel, sich vor jedem Scheinwerfer versteckend, immer wieder in die Hauseingänge flüchtend, Richtung Stadtgrenze. Dort angekommen öffnet sie den Kofferraum eines Passat, den Schlüssel hatte sie zuvor unter dem Vorderrad aufgehoben. Mit einem Schwung ist sie im Wagen, läßt die Rückenlehne von Fahrersitz nach hinten fahren, schiebt den Sitz ein Stück zurück, um sich ihrer Kleidung zu entledigen.
Unterwäsche, Strümpfe, ein Hemd, eine Hose und sogar die Schuhe hatte sie aus dem Kofferraum auf die Rückbank gelegt. So angezogen, rückte sie den Sitz wieder in die richtige Position, startet den Wagen und entkommt in die Dunkelheit.

Wir haben das ganze Krankenhaus abgesucht, keine Spur von dem Gesuchten. Nur im Schwesternzimmer fehlt ein grüner Kittel, sagte der Verantwortliche der Bereitschaftspolizei. Dehnt den Suchbereich auf die ganze Stadt aus, es kann doch nicht so schwer sein, einen Mann mit grünem Kittel zu finden, sofern er selbst gelaufen ist, also los jetzt.

Ich habe uns zwei Karten für die Abendveranstaltung vom Karnevalsverein besorgt, laß uns mal wieder ausgehen, sagte Anka. Wir hatten ja noch unsere Kostüme von der letzten Veranstaltung. Damals hatte wir uns als Vampire verkleidet. Eine Freundin hatte uns ein entsprechendes Makeup verpaßt, sodaß uns niemand aus dem Ort erkannte, nicht einmal die engsten Bekannten und Freunde. Wir zogen uns also um und gingen los. Ich freute mich, daß Anka heute so guter Laune war, dies würde bestimmt ein schöner Abend werden. Narthelia haben wir auch mitgenommen, denn ihre Schulkameradin und Freundin wollte noch mit ihren Eltern heute dazukommen. Der Abend verlief feucht fröhlich, wir sind von einem Themenraum in den anderen gezogen, haben überall mal etwas von den schönen Getränken gekostet.
Plötzlich sagte Anka, ich will nach Hause. Was mache ich jetzt, Narthelia war auch noch hier, hatte sich aber mit ihrer Freundin in einem anderen Bereich aufgehalten und Anka wollte los. Also schnell noch bei Narthelia vorbei, ihr Bescheid gesagt, ich bringe die Mama nach Hause, hole dich aber dann anschließend ab. Bleib bitte in diesem Raum mit deiner Freundin zusammen. Gesagt getan, wir gingen Richtung Wohnung, plötzlich wollte Anka allein gehen und ich sollte beim Kind bleiben. Sie würde schon allein nach Hause finden. In einem Abstand, sie konnte mich nicht sehen, so sehr war sie mit sich selbst beschäftigt, sich auf dem Fußgängerweg zu halten, bin ich dann hinter ihr hergegangen. Erst als sie in der Wohnung war drehte ich wieder um und kümmerte mich um das Kind.
Eine Zeit später, Narthelia hatte mich gefragt, ob sie mit den Eltern ihrer Freundin mit nach Hause gehen darf, kam ich in die Wohnung. Was ich da vorfand brachte meinen Atmen zum stocken. Anka lag auf dem Fußboden im Bad inmitten eine riesigen rotbraunen Lache. Ich wollte erst aufschreien, fühlte dann aber erst einmal schnell ihren Puls, hob sie aus der Flüssigkeit und stellte fest, es war nur der zu viel getrunkene Alkohol, der seinen Weg nach draußen gefunden hatte. Sie hatte einen so großen Schutzengel, was hätte alles passieren können. Mal abgesehen davon, daß sie hätte an der Flüssigkeit ersticken können, könnte sie sich ebenso ihren Kopf aufschlagen. Denn wie ich in der Küche später feststellte, ist sie dort offensichtlich hingefallen und knapp an der Tischkante vorbeigeschrammt.
Ich zog sie aus, soweit es möglich war, legte sie in ihr Bett und deckte sie zu. Sicherheitshalber stellte ich noch ein Schüssel, für den Fall, daß da noch etwas übrig war um herauszukommen, hin und legte mich neben sie. Diese Nacht habe ich kein Auge zubekommen. Am anderen Morgen, Anka sah etwas verkatert aus, erzählte ich die Story. Du hättest tod sein können. So etwas möchte ich in meinem Leben nicht noch einmal durchmachen, versprich mir das. Du weißt, daß ich dich liebe, ich mach mir Sorgen um dich. Ihre Antwort war wieder einmal typisch. ´is doch nix passiert, also, und wenn doch, du hättest dich ja um das Kind gekümmert. Sie wußte genau, daß mir dieser Satz weh tat, daß ich mich immer um das Kind kümmern würde, ebenso wie um sie, weil ich sie liebte.

Doktor, nun erklären sie mir bitte, wie ein Mensch, den sie für tod halten, aus ihrem Kühlraum verschwinden kann, fragte Kommissar Wegner den Stationsarzt. Es gab ihm keine Ruhe und er hatte auch keine vernünftige Erklärung für das Verschwinden, es sei denn, jemand hat die Leiche mitgenommen. Ich kann es ihnen nicht erklären. Wir haben einen Mann eingeliefert bekommen, der eine Platzwunde am Kopf und eine Fraktur der Schädeldecke hatte. Außerdem war am gesamten linken Kopfbereich alles voller Blut. Bei der Menge, die mir meine Kollegen vom Unfalldienst beschrieben haben, bin ich davon ausgegangen, daß das Blut aus der Kopfwunde ausgetreten ist. Da werde ich wohl mit meinen Kollegen von der Spurensicherung noch einmal reden müssen, dachte sich Kommissar Wegner und verabschiedete sich vom Doktor.

Also Kollegen, jetzt noch mal ganz genau, was habt ihr vor Ort vorgefunden, fragte Wegner den Diensthabenden Kollegen der Spusi. Es gab einen Mann, Anfang bis Mitte sechzig mit einer Kopfwunde an der linken Schädelseite und starkem Blutverlust. Ist euch etwas ungewöhnlich dabei vorgekommen, war irgendetwas, was eurer Meinung nach nicht gestimmt hat?
Naja, also der starke Blutverlust war schon merkwürdig. Bei der Menge, die um seinen Kopf herum auf der Straße zu sehen war, hätte die Gesichts- und Hautfarbe blasser sein müssen. Und, fragte Wegner, habt ihr euch das Blut mal angesehen? Nein, haben wir nicht, aber wir haben ja seine Sachen noch hier, an denen sind genug Reste, ich untersuche sie gleich. Und bitte vergleiche sie auch mit der Blutprobe, die ihr von dem Mann gemacht habt oder habt ihr etwa keine.
Doch, das ist Vorschrift, eine Blutprobe wird immer genommen bei solchen Umständen.
Am nächsten Morgen lag das Ergebnis des Vergleichs der Blutprobe mit dem Blut am Kopf vor. Bei den beiden uns vorliegenden handelt es sich um menschliches Blut. Die erste Probe ist von der Kleidung entnommen und ist Blutgruppe A negativ, die zweite Probe ist von dem Mann direkt aus dem Unterarm noch vor Ort entnommen worden und ist Blutgruppe Null. Beide Proben sind also von unterschiedlichen Personen. Jetzt wird die Welt verrückt, sagte Kommissar Wegner, da hat uns doch jemand tatsächlich etwas untergeschoben. Also kein Selbstmord, wie die Frau Schweigert vermutet hatte. Entweder weiß sie mehr, als sie mir gesagt hat oder . . . , ich muß noch einmal zu ihr hin.
Guten Tag Frau Schweigert, schön daß ich sie heute beide antreffe, ich hätte da noch ein paar Fragen bezüglich des Herrn Kördhar. Sie sind jetzt Frau Anka Schweigert, richtig. Ja, das bin ich und wie kann ich ihnen weiterhelfen. Meine Tochter hat mir bereits erzählt, daß sie bei uns waren wegen eines Herrn Kördhar. Der Name ist mir nicht wirklich geläufig. Frau Schweigert, bitte, ich weiß von ihrer Tochter, daß sie beide zusammen gelebt haben und nun wollen sie hier wirklich behaupten, sie kennen den Mann nur flüchtig? Das paßt doch nun überhaupt nicht zusammen. Sie haben jetzt folgende Möglichkeit, entweder, wir fangen hier noch einmal von vorne an oder sie kommen mit mir zusammen in unser Büro, was ist ihnen lieber?
Ja, ich gebe ja zu, daß ich mit Herrn Kördhar zusammen gelebt habe, eine sehr lange Zeit sogar, aber irgendwann habe ich das nicht mehr ausgehalten. Ständig war er unterwegs, kaum habe ich etwas von ihm gehabt. An den Wochenende und vor allem an den Feiertagen war ich allein. Ich hatte es satt, da habe ich mir einen anderen Mann gesucht. Wie ist Herr Kördhar damit umgegangen, nach so einer langen Zeit? Wie ich von ihrer Tochter erfuhr, hat er sie geliebt oder ist das nicht richtig. Ja, er hat mich geliebt und ich ihn auch aber mit der Zeit war ich immer unzufriedener mit der Situation. Ich wollte einfach eine Veränderung.
Haben sie ihn denn vor die Alternative gestellt sich zu entscheiden? Ich hatte ihm oft zu verstehen gegeben, daß ich mit unserem Zusammenleben nicht mehr zufrieden bin. Nein, meine Frage war, haben sie ihn direkt gefragt – entscheide dich. Eine solche Frage gibt eine definitive Klarheit, denn da gibt es kein vielleicht, sondern nur ein ja oder nein.
Nein, diese Frage habe ich ihm nicht gestellt. Gut, also, sie haben sich getrennt. Haben sie ihn danach noch wieder gesehen? Ja, wir haben uns noch zwei oder dreimal getroffen. Er kam mit der neuen Situation und dem neuen Lebensgefährten überhaupt nicht klar. Er hat mir hinterher in einem Brief noch versucht verständlich zu machen, daß er sich jetzt endgültig für mich und meine Tochter entschieden habe, nur war meine Entscheidung da schon gefallen und ich wollte kein Zurück mehr. Zu einer Freundin von mir soll er sogar gesagt haben, daß ihm sein Leben jetzt egal sei, wenn er mich verliert, dann verliere er auch seinen Lebensmittelpunkt. Ich habe dem Ganzen nicht zu viel beigemessen. Es war vorbei, ich hatte meinen neuen Partner und war mit ihm glücklich.
Nun, daß ist aus meiner Sicht aber schon ein hochgradiges Motiv für einen Selbstmord, wenn er sie so geliebt hat und dann mit einem Mal alles um ihn herum wegbricht, da habe ich schon geringere Gründe für einen Suizid gesehen. Und danach, gab es danach noch Kontakt zu ihm? Nein, ich hatte danach keinen Kontakt mehr. Er schrieb zwar immer noch Emails, in denen er mir beteuerte, daß er mich liebt, ich habe sie aber nicht beantwortet. Aber gelesen haben sie sie schon? Ja, aber wie gesagt, ich habe nicht geantwortet.

Das Handy klingelt, am anderen Ende ist wieder einmal sein Kollege. Ingo, ich glaube, wir haben da etwas übersehen. Wegner verabschiedet sich von der Frau, setzt sich in sein Auto und fährt los.
Nun bin ich gespannt, was du für Neuigkeiten hast, sagte Wegner, als er das Büro betrat. Folgendes haben wir gefunden. Das Gerüst ist doch manipuliert worden, einer der Arbeiter hat uns bestätigt, daß am Tag zuvor, es war eigentlich schon nach Feierabend aber die Jungs mußten wohl was nacharbeiten, ein Mann auf der Baustelle war und in der Nähe des Gerüstes gesehen wurde. Die Beschreibung paßt auf unseren Kördhar. Das würde ja heißen, Kördhar selbst könnte am Gerüst gewesen sein. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten die Handwerke genau an dem Abschnitt, an dem am anderen Tag die Querstrebe an der einen Seite heruntergelassen war. Ihnen wäre also aufgefallen, wenn dort etwas nicht gestimmt hätte, sie haben so einen „scharfen Hund“ als Vorarbeiter, der läßt solche Dinge, wie eine nicht ordnungsgemäß befestigte Querstrebe auf keinen Fall durchgehen, wurde uns von mehreren versichert.
Nehmen wir also mal an, der Kördhar selbst geht noch einmal auf die Baustelle, zieht sich Handschuhe an und manipuliert das Gerüst. Er besorgt sich eine Konserve mit menschlichem Blut. Am nächsten Morgen, noch bevor die Handwerker mit ihrer Arbeit beginnen, nimmt er die Konserve, läßt das Blut auf den Steinen auslaufen und steigt dann auf das Gerüst, um sich von dort herunter zu stürzen.
Deine Theorie ist gut, nur hat sie einen Haken, wenn er tatsächlich von der Höhe gesprungen oder gefallen ist, dann wäre er wirklich tot. Dann kann er gar nicht von da oben gefallen sein, sondern muß sich von weiter unter haben fallen lassen, sodaß er zwar mit dem Kopf hart aufgeschlagen ist, was die Fraktur am Schädel erklärt aber nicht stark genug, um lebensgefährlich verletzt zu sein. Auch nicht schlecht, aber wieder haben wir etwas übersehen, wie konnte der Arzt ihn für tod halten, als er ihn untersucht hat? Ich fahre noch einmal ins Krankenhaus.
Sie schon wieder, was gibt es denn jetzt noch, fragte der Stationsarzt missgelaunt. Eine Frage, Herr Doktor, wie kann es sein, daß der eintreffende Arzt bei dem Unfall von Herrn Kördhar dessen Tod diagnostiziert hat, wenn er gar nicht tod war? Es gibt unter ganz seltenen Umständen ein Phänomen, bei dem der Patient in eine Art Totenstarre verfällt.
Hierbei sind alle Körperfunktionen soweit reduziert, daß man mit herkömmlichen Mittel ihn für tod erklären würde. Der Patient hat weder einen spürbaren noch messbaren Puls und seine Pupillenaktivitäten sind gleich Null.
Es kann also sein, daß, unter gewissen, äußerst selten vorkommenden Umständen, sie einen Menschen für tod erklären lassen, der in Wirklichkeit noch lebt? Ja, so etwas kann vorkommen. Deshalb werden die Patienten grundsätzlich nicht am ersten Tag obduziert. Sollte keine Obduktion angeordnet sein, sondern der Leichnam sofort freigegeben und zum Bestatter gehen, dann wird er auch dort eine Zeit lang aufbewahrt.
Wir haben es hier also mit einem perfekten Selbstmord zutun, der gar keiner ist? Fehlt uns jetzt nur noch die Leiche, die auch keine ist. Vielen Dank für die Ausführung, Doktor.
Im Büro zurück setzt sich Kommissar Wegner an seinen PC und ruft alle ihm zur Verfügung stehenden Informationen zu Kördhar auf. Wegner schreit, – nichts, gar nichts, – ist der Mann ein Phantom? Es gibt nicht einmal einen Strafzettel wegen falsch parken bei ihm. Karl-Heinz, wir brauchen unbedingt Unterlagen von dem Kördhar, Arztberichte, Zahnarztunterlagen, was auch immer du auftreiben kannst. Frag beim Einwohnermeldeamt nach wann und wo er gewohnt hat, frage Nachbarn, Eltern, Familie, der Mann muß doch irgendwo gelebt haben.
Es war ein schöner Sommertag, die Sonne stand hoch am Horizont und in der Luft lag der Duft von frisch gemähtem Gras. Was hältst du davon, wenn wir heute mal Picknick im Freien machen, statt auf dem Balkon, sagte Anka zu mir. Eine gute Idee. Ja, gute Ideen, das ist ihr Ding, immer hatte sie einen Einfall, der mich überraschte. Wir machten uns also einen Rucksack zurecht, nahmen belegte Brote, eine kleine Flasche Sekt, etwas Alkoholfreies für Narthelia mit und fuhren geradewegs zu einer Stelle an einem kleinen Bach. Dort angekommen, legten wir eine Decke auf das Gras und machten es uns gemütlich. Narthelia hatte die Kamera mitgenommen und machte von uns, der Umgebung und dem Bachlauf ein paar Aufnahmen.
Ich legte meinen Kopf in Ankas Schoß, sie legte ihre Arme um mich und ich wahr, ohne es richtig bemerkt zu haben, von den Sonnenstrahlen gewärmt, bei ihr eingeschlafen. Hey, hier wird nicht geschlafen, dafür hätten wir auch zu Hause bleiben können, sagte sie leise zu mir, aber immer noch laut genug, daß ich sofort hochschreckte. Ich habe doch gar nicht geschlafen. Na dann muß wohl die Decke eben gerade geschnarcht haben lächelte sie mich an.
Es war mir nicht bewußt, daß ich fast zehn Minuten, dicht an ihr angekuschelt, ihre Nähe und Wärme spürend, in den süßesten Träumen lag. Jetzt laß uns etwas essen und den Sekt sollten wir auch trinken, sonst wird er warm. Narthelia kam gerade zum richtigen Zeitpunkt wieder zurück von ihrer Fototour und wir konnten zusammen unsere mitgebrachten Brote und die Getränke genießen.
Guten Morgen Herr Hauptkommissar, ich habe da ein Schreiben von den Kollegen der Verkehrspolizei. Dies ist die Mordkommission oder bin ich zu schnell gefahren? Nein, nein, die haben ein Foto von einer Geschwindigkeitskontrolle von dem Tag, als Kördhar verschwunden ist, auf dem ein Mann zu sehen ist, der in einem Passat sitzt. Ich dachte, daß könnte sie interessieren. Geben sie mal her. Tatsächlich, das ist unser Mann. Von wann ist denn die Aufnahme, ah ja, am Vormittag um halb zehn auf der Straße nach Norden zur Stadtgrenze. Da haben wir wenigstens mal einen Anhaltspunkt, wo wir weiter suchen können. Danke für die Information, Kollege.
Karl-Heinz, frag doch mal bitte bei der Kfz-Stelle nach, auf wen der Passat zugelassen ist, vielleicht bringt uns das weiter. Eine Stunde später kam die Antwort der Behörde. Der Wagen war auf eine Frau Schweigert zugelassen. Warum war, fragte Wegner. Er ist seit mehr als drei Jahren still gelegt und dürfte gar nicht auf der Straße sein. Ja aber irgendwo muß doch das Auto die ganze Zeit gestanden haben, daß es jemandem aufgefallen ist. Normalerweise sind die Kollegen von der Streife oder das Ordnungsamt doch hinter solchen Fahrzeugen her, ich verstehe das nicht.
Also ich fahre noch einmal zu dieser Frau Schweigert. Ich werde das Gefühl nicht los, daß sie noch mehr weiß, als sie uns bis jetzt gesagt hat. Eine Stunde später klingelt Kommissar Wegner an der Haustür der Familie Schweigert. Anka Schweigert öffnet die Tür. Was wollen sie denn schon wieder hier, haben sie uns nicht schon genug belästigt, irgendwann muß doch mal Schluß sein.
Ich denke, sie haben mir nicht die ganze Wahrheit gesagt, Frau Schweigert, darf ich also noch einmal reinkommen oder wollen wir das vor der Haustür klären, damit die Nachbarn auch mithören können. Kommen sie schon rein, die Nachbarn quatschen eh schon über mich wegen ihres ständigen Besuches.
Frau Schweigert, wir haben einen Passat ausfindig machen können, der auf sie zugelassen ist, stimmt das? Ja, ich habe einen Passat, der ist aber nun schon seit mehr als drei Jahren abgemeldet. Und wo genau haben sie das Fahrzeug abgestellt? Er steht bei meinem Freund in der Scheune.
Können wir uns diese Scheune einmal ansehen, ist es weit von hier? Nein, ungefähr fünf Minuten Fußweg. Dann möchte ich sei bitten, daß sie mich dorthin begleiten, ich möchte mich davon überzeugen, daß das Auto noch dort steht. Wenn es denn sein muß zeige ich ihnen die Scheune. Nach einem kurzen Spaziergang durch das Dorf kommen sie an besagter Scheune an. Sie macht das Tor auf und starrt ungläubig in einen leeren Raum. Das verstehe ich nicht, der Wagen war doch vor zwei Wochen noch hier drin. Ich habe ihn selbst gesehen. Hat denn außer ihnen noch jemand Anderes einen Schlüssel für das Schloß? Mein Vater hat einen, weil er ab und an hier an seinem Auto schraubt und natürlich mein Freund. Ich möchte sie bitten, daß sie die beiden jetzt gleich anrufen, sie sollen mit ihren Schlüsseln hier herkommen. Einer muß ja aufgeschlossen haben, denn augenscheinlich ist das Schloß nicht aufgebrochen worden.
Es dauert fast eine Stunde, dann sind der Freund und der Vater von Frau Schweigert an der Scheune angekommen. Guten Tag meine Herren, mein Name ist Hauptkommissar Wegner, ich untersuche den Selbstmord an Herr Kördhar, wie sie ja sicherlich wissen. Frau Schweigert hat mir gesagt, daß sie beide einen Schlüssel für diese Scheune besitzen, könnte ich diese bitte einmal sehen.
Der Vater kramte in seiner Hosentasche und zog ein Schlüsselbund heraus. Meinen sie diesen hier, am Bund war ein etwas verrosteter alter Schlüssel, den er hochhielt. Wenn dieser Schlüssel in das Schloß der Scheune paßt, dann meine ich den. Er steckt den Schlüssel in das Schloß, dreht ihn langsam herum und das Schloß springt auf.
So, nun zu ihrem Schlüssel. Würden sie ihn bitte auch in das Schloß stecken, damit ich sehen kann, daß sie den richtigen dabei haben, sagte Wegner zum Freund von Frau Schweigert. Es dauerte eine ganze Zeit, dann zuckte er mit den Schultern, es tut mir leid, aber ich habe den Schlüssel wohl verloren, an meinem Bund ist er jedenfalls nicht und ich hatte ihn extra daran festgemacht, damit ich ihn nicht verliere. Ich bin so selten in der Scheune, ich glaube das letzte Mal war vor einem Jahr oder so.
Da haben wir ein Problem, denn der Wagen, der hier stehen sollte, ist offensichtlich entwendet worden und einer Straftat zuzuordnen. Ich möchte sie daher bitten genau zu überlegen, wann sie das letzte Mal mit ihrem Schlüssel dieses Schloß geöffnet haben. Ich erwarte sie Morgen um neun in meinem Büro, hier ist meine Karte mit der Adresse.
Ich hatte es geschafft, unentdeckt von allen bin ich aus dem Krankenhaus entkommen. Hatte die alte Kräuterhexe doch Recht behalten mit ihrem Mittelchen. Es wäre aber auch um ein Haar schief gegangen mit dem Sturz. Ein Stück höher und ich hätte mir wirklich meinen Schädel gebrochen, so ist es, Gott sei Dank, nur dieser kleine Bruch, der verheilt wieder von selbst. Die Blutung hat ja auch schon aufgehört. Da hatte ich ja richtig Glück, daß der Freund von Anka bei der letzten Dorffeier einen über den Durst getrunken hat und deshalb nicht bemerkt hat, wie ich ihm den Schlüssel von der Scheune aus der Tasche gezogen habe.
Daß niemand bemerkt hat, wie ich den Wagen dort herausgeholt und aus dem Ort gefahren habe wundert mich schon. Sonst sind in dem Dorf doch alle so neugierig und bekommen jede Kleinigkeit mit. Egal wann man nach Hause kommt, mit wem man am Tag oder selbst in der Nacht durch die Straßen geht, einer ist immer am Fenster und beobachtet etwas. Da hatte ich wohl diesmal richtig Glück. Jetzt werde ich erst einmal in der Tankstelle duschen gehen. Hier kenne ich mich wenigsten aus. Es gibt noch keine Überwachungskameras weder außen noch innen, der Pächter ist schon ein alter Mann fast so alt wie das Gebäude hier.
Guten Morgen Herr Hauptkommissar, ich sollte mich bei ihnen melden, wegen dem Schlüssel. Kommen sie rein, sagte Wegner ungehalten. Und, ist ihnen nun eingefallen, wo der Schlüssel ist oder wo sie ihn verloren haben könnten? Leider nicht, ich hatte ihn, glaube ich, noch vor dem letzten Fest im Dorf aber dann? Ich muß zugeben, ich war vollkommen betrunken an dem Abend, ich weiß nicht einmal mehr wann und wie ich nach Hause gekommen bin. Und sie meinen auf diesem fest hatten sie den Schlüssel noch? Ich denke schon, er war an einem Schlüsselband von VW angebracht und das hin immer etwas aus der Hose heraus. Kann sein, daß es mir jemand aus der Tasche gezogen hat, eine andere Erklärung habe ich nicht.
So, betrunken also und der Schlüssel hing an einem Schlüsselband aus ihrer Hose. Da können sie ja an jedem Strauch mit dem Band hängengeblieben sein und ihn dort verloren haben. Mann, sie sind mir eine große Hilfe. Gehen sie wieder nach Hause. Ich melde mich bei Ihnen, wenn ich sie noch einmal brauche.
Also hat dieser Kördhar entweder den Schlüssel gefunden und wußte, daß er zu der Scheune gehört oder er hat den Mann beobachtet. Als er mitbekommen hat, daß der ohnehin schon vollkommen neben sich war, hat er ihm den Schlüssel am Band aus der Hosentasche gezogen.
Solange wir den Kördhar nicht haben, werden wir wohl hierauf keine Antwort bekommen, es sei denn wir finden einen Zeugen, der ihn dabei beobachtet hat. Karl-Heinz laß uns noch einmal in das Dorf fahren, eventuell haben wir ja Glück. Die Leute in den Dörfern sind immer neugierig, vielleicht hat ja einer etwas gesehen.

Die Maschine ist gerade im Landeanflug auf den Flughafen von Gantenberg. Ein bißchen wackelt sie mit den Tragflächen, hier ist es immer etwas windig und der Pilot versucht dagegen zu steuern. Ein etwas harter „touch down“ und die Maschine ist sicher gelandet. Anka und Narthelia steigen aus und nach einer kurzen Zeit, sie mußten noch durch die Paßkontrolle und den Zoll, stehen beide in der Ankunftshalle. wie verabredet klingenln sie Körhar an, der ruft umgehend zurück. Wir sind angekommen, du wolltest uns doch abholen, wo bist du, fragte Anka. Ich stehe am Flughafen in der Ankunftshalle, kann euch aber nicht sehen. Was seht ihr denn neben euch,fragte Kördhar. Also hier ist gleich der Ausgang, die Halle ist nicht so groß. Wie, nicht so groß, das sind zwei Etagen. Auf keinen Fall, das ist hier mehr eine Baracke, als ein Terminal. Könnt ihr bitte mal jemanden fragen, in welchem Flughafen ihr seid.
Anka gab ihr Telefon weiter und Kördhar hörte eine junge Frauenstimme sich mit ihm in Englisch unterhalten. Sie erklärte mir, daß sie sich am Cityflughafen befindet, Kördharaber war am internationalen Airport. Es gab also ganz offensichtlich zwei Flughäfen in dieser Stadt, von denen seine Kollegen nichts gesagt hatten. Also nahm er sein Auto und fuhr von einem Ende der Stadt zum anderen. Warum dieser kleine Flughafen, er hatte nur eine Bahn, die gleichzeitig Start- und Landebahn war, „City“ Flughafen hieß, hatte er ehrlich gesagt nicht verstanden, war er doch gut zehn Kilometer außerhalb der Stadt.
Hattest du nicht gesagt es gibt nur einen Flughafen hier, war die Begrüßung. Ja, das hatte ich gedacht, ist dann wohl nicht so aber ich habe euch ja jetzt gefunden. War übrigens eine clevere Idee, der jungen Frau dein Handy hinzuhalten. Da seid ihr ja um die Fragerei in Englisch herumgekommen, gewußt wie, schlaue Mädchen. Nun, laßt uns zum Hotel fahren, ihr seid bestimmt schon lange unterwegs. Ja, seit heute Morgen um halb fünf, da sind wir von zu Hause losgefahren. Die Kleine hat im Auto auf dem Weg zum Flughafen etwas geschlafen. Ich mußte ja fahren, sagte Anka. Am Hotel angekommen staunten beide nicht schlecht. Es war eines der schönsten Hotels hier in der Stadt. Zwei große Türme ragten in den Himmel. Hier werden wir das Wochenende schlafen. Ich habe extra ein Zimmer in der obersten Etage gemietet, damit ihr eine schöne Aussicht auf die Stadt habt.
Ganten Towers nennt sich das Hotel und es gibt ganz oben ein wunderschönes Restaurant, von dem aus man die ganze Stadt sehen kann. Besonders abends ist der Ausblick ein Traum. Ich habe uns für heute gleich einen Tisch reserviert, hier ist es immer voll, habe ich mir sagen lassen. Am Abend waren wir dann gemeinsam im Restaurant. Der Ausblick war fantastisch, Anka konnte sich nicht satt sehen an der Skyline der Stadt und Narthelia fand den gläsernen Aufzug am schönsten, mit dem wir, außerhalb des Hotels, an der Hauswand hochgefahren sind. Die Menschen werden immer kleiner, wie kleine Ameisen sehen sie von hier oben aus, das ist lustig, sagte sie mit einem Strahlen in den Augen.

Entschuldigen sie, haben sie zufällig in der Nacht vom Samstag zu Sonntag vor einer Woche den Passat von der Frau Schweigert wegfahren sehen oder mitbekommen, daß jemand an der Scheune war und dort das Auto herausgeholt hat, fragte Wegner eine ältere Frau, die gerade aus dem Fenster sah. Nein, habe ich nicht aber fragen sie mal den Nachbarn, der kann von seinem Fenster aus direkt auf die Scheune sehen, vielleicht kann er ihnen weiter helfen. Wegner klingelte an der Haustür des Nachbarn, wartete eine Weile, niemand öffnete. Scheint wohl keiner da zu sein. Wir werden es später noch einmal versuchen, sagte er zu seinem Kollegen.
Wollen sie zum alten Maar, der ist um diese Zeit immer mit seinem Hund oben auf der Wiese spazieren. Wenn sie in eine Stunde noch mal wiederkommen, dann müßte er zurück sein, sagte ein Schuljunge, der auf der anderen Straßenseite beobachtet hatte, wie Hauptkommissar Wegner an der Tür klingelte.
Dankeschön, das ist aber nett von dir. Du kennst dich wohl hier aus? Ja, ich wohne zwei Häuser weiter und helfe dem alten Maar ab und zu. Er kann nicht mehr so schwer tragen und da mache ich für ihn den Einkauf, wenn er mal was braucht. Seine Frau ist ja schon vor ein paar Jahren gestorben und nun hat er niemanden, der ihm hilft. Ach so, da hat er wohl auch keine Kinder, die ihm helfen könnten? Doch, aber die sind ganz selten hier, ich habe sie bestimmt ein halbes Jahre nicht mehr gesehen.
Laß uns irgendwo einen Kaffee trinken gehen, ich habe da eine Kneipe an der Straße gesehen, die ist glaube ich sogar offen, sagte sein Kollege Brohm. Wir werden dann später zum alten Maar gehen.
Nach dem Kaffee gingen die beiden Polizisten zurück und versuchten ihr Glück erneut. Dieses Mal war der alte Mann zu Hause. Guten Tag Herr Maar, wir sind von der Polizei und hätten ein paar Fragen zum letzten Dorffest. Ob ich ihnen da weiterhelfen kann, kommen sie erst einmal herein und nehmen sie Platz. Worum geht es denn? Sie wissen, daß Herr Kördhar einen Unfall hatte und von einem Gerüst gestürzt ist. In Diesem Zusammenhang suchen wir nach Zeugen, die uns etwas über das Dorffest sagen können. Bei diesem Fest soll der Freund von Anka Schweigert ziemlich betrunken gewesen sein und es wäre möglich, daß er in diesem Zustand einen Schlüssel aus seiner Tasche verloren hat, haben sie etwas in diese Richtung gesehen?
Ich kann mich erinnern, daß er einen über den Durst getrunken haben muß, so wie er schwankte, aber ob er seinen Schlüssel verloren hat, das habe ich nicht gesehen. Allerdings war Herr Kördhar kurz bei ihm und hat mit ihm gesprochen, so sah es jedenfalls für mich aus.
Haben sie vielen Dank, sie haben uns mit ihrer Aussage sehr geholfen, sagte Kommissar Brohm und die beiden Herren verabschiedeten sich.
Er hat also den Schlüssel nicht verloren, sondern Kördhar hat ihm den Schüssel aus der Tasche gezogen, wie wir vermutet hatten. Das bedeutet, er hat sich damit Zugang zur Scheune verschafft und den Wagen entwendet. Ein Wunder, daß ihn dabei keiner gesehen hat. Er muß es entweder im Trubel des Festes oder ganz früh morgens, als alle noch im Schlaf lagen, getan haben.
Stunden später, es war schon kurz vor zehn Uhr abends, fuhr Blaulicht durch das Dorf. Die beiden Kommissare versuchten dem Wagen und der Sirene zu folgen. Das ist gar nicht so weit weg von hier, sagte Kommissar Brohm, laß uns nachsehen, was da los ist, wenn wir schon hier sind. Beide liefen mit schnellen Schritten in Richtung des Martinshorns. Als sie um die Hausecke bogen, sahen sie eine Menschentraube, die einen Mann anstarrten, der an einem Seil hing.
Gehen sie bitte beiseite, sagte Hauptkommissar Wegner, wir sind von der Polizei. Das kann nicht wahr sein, sagte er zu seinem Kollegen, ruf den Notarzt an und die Spurensicherung. Das ist Kördhar, er hat sich mit einem Strick an das Geländer vom Balkon gebunden und schein dann herunter gesprungen zu sein. Dieses Mal ist es wohl eher kein Unfall. Sag mal, ist das nicht das Haus der Familie Schweigert, es kam mir gleich so bekannt vor. Ja, du hast recht aber wie kommt er auf den Balkon? Eine Leiter ist weit und breit nicht zu sehen. Sieh mal nach oben, die Balkontür ist offensichtlich nur angelehnt. Laß und klingeln gehen, um zu sehen, ob jemand zu Hause ist.
Sie läuten an der Tür, klopfen und rufen, es macht niemand auf. Eine Frau, die gerade auf der Straße vorbei kommt, ruft ihnen zu, da ist um diese Zeit niemand. Die Tochter ist im Urlaub, Frau Schweigert ist auf Arbeit und den Freund habe ich vor gut zwei Stunden mit dem Auto wegfahren sehen. Sind sie ganz sicher, fragte Brohm noch einmal nach, ja, sie können es mir glauben, da ist niemand zu Hause. In der Zwischenzeit, es waren gut zwanzig Minuten vergangen, kam der Notarzt und auch die Feuerwehr mit einer Leiter. Sie schnitten den Strick durch und nahmen den Mann herunter. Herr Doktor, können sie schon Genaueres sagen?
Der Mann ist ungefähr eine Stunde tot, das Genick ist gebrochen. Ist es sicher daß er tot ist, wir haben da berechtigte Zweifel. Ja, mit Sicherheit, er nahm den Strick vom Hals und zeigte auf eine Stelle an der Halswirbelsäule. Hier, sehen sie, der Halswirbel ist nach außen getreten, da besteht kein Zweifel, dieser Mann ist tot. Danke Doktor, alles Weitere dann wie immer mit dem Bericht zu uns.
Jetzt haben wir den Mann, haben eine richtige Leiche und wissen immer noch nicht mit Bestimmtheit Ob er sich nun umgebracht hat oder ob es Mord war. Laß uns doch mal in der Wohnung nachsehen, auf irgendeinem Weg muß er doch hier reingekommen sein. Wir warten aber erst auf die Kollegen von der Spurensicherung. Der Mitarbeiter der SpuSi machte ein paar Abdrücke von dem Türschloß, fotografierte es und nahm Fingerabdrücke, dann öffnete er mit einem kleinen speziellen Werkzeug die Haustür, ohne das Schloß zu zerstören. Ganz schön leichtsinnig hier an der Straße die Tür nur in das Schloß fallen zu lassen. Da genügt nur etwas Übung und der richtige Dreh und schon ist ein Einbrecher im Haus. Ob er wohl so hineingekommen ist, fragte sich Wegner seinen Kollegen? Das werden uns die Kollegen von der Spurensicherung schon sagen, antwortete Brohm gelassen. Dem ersten Augenschein nach ist hier keine Gewalt angewendet worden, wir werden aber das Schloß noch zur KTU bringen und prüfen lassen.
Als sie durch das Wohnzimmer in Richtung Balkon gingen viel ihnen auf, daß die Balkontür von innen geöffnet worden sein muß, denn der Riegel war unten und die Tür, wie von unten schon zu sehen, war nur angelehnt. Kollegen, wir müssen wissen, ob diese Tür offen war oder wer sie zuletzt geöffnet hat. Das sollten wir anhand der Fingerabdrücke feststellen können, den Bericht habt ihr dann Morgen im Büro, sagte der Leiter der SpuSi.
Guten Morgen Karl-Heinz, auch schon da, grinste Wegner seinen Kollegen an. Ich habe mir schon mal die Unterlagen zum Fall Kördhar angesehen, die SpuSi war fleißig und hat es tatsächlich bis heute früh geschafft einen vorläufigen Bericht zu schicken. Erzähl, was steht drin, fragte Brohm. Hör zu, die Eingangstür zur Wohnung ist mit einem Originalschlüssel geöffnet worden, es gab keinerlei Spuren von Fremdeinwirkung. Es geht noch weiter, die Balkontür ist von innen geöffnet worden und nach den uns vorliegenden Unterlagen sind die Fingerabdrücke auf der Klinke der Balkontür nicht identisch mit denen von Kördhar. Was sagst du nun? Brohm machte ein erstauntes Gesicht. Das heißt also, daß Kördhar nicht derjenige war, der die Balkontür geöffnet hat. Entweder war sie schon offen als er in das Haus ging oder hier war noch eine zweite Person beteiligt. Also Mord, warf Wegner ein.
Die Haustür ist nach Aussage der SpuSi mit einem Originalschlüssel geöffnet worden. Entweder hatte Kördhar einen eigenen oder er wurde erwartet. Ich denke wir sollten uns den Freund von Frau Schweigert noch einmal vornehmen, vielleicht weiß er mehr, als er bisher gesagt hat.
Es klopft an der Tür der beiden Kommissare. Herein, sagte Wegner laut. Die Tür ging auf und ein Polizist der benachbarten Wache trat ein. Was gibt es denn Schlegel, habe wir falsch geparkt, witzelte Brohm. Ich habe da einen Mann bei uns auf der Wache, den wir gestern am späten Abend festgenommen haben. Er ist in Schlangenlinien mit seinem Auto fahrend angehalten worden. Auf gut deutsch, er war Sternhagel voll. Da haben ihn die Kollegen gleich mitgenommen zur Wache und in die Ausnüchterungszelle gesperrt. Ja und, was haben wir nun damit zu tun, hier ist die Mordkommission. Dazu wollte ich ja gerade kommen. Der Mann hat auf dem Weg zur Wache ständig etwas von, er wollte sie mir wegnehmen, da habe ich ihn eben geschupst, gefaselt. Und da ihr ja in dem Fall Kördhar ermittelt, dachte ich mir, ihr könnt damit etwas anfangen. Es ist der Freund von Frau Schweigert, den Namen habe ich jetzt nicht behalten.
Das ist ja interessant, das würde ja bedeuten, daß Kördhar nicht allein war, als er den Strick um den Hals hatte. Wir kommen gleich bei euch vorbei, laßt ihn bloß nicht laufen, bevor wir da waren.
Am nächsten Morgen, die beiden Kommissare sind in der Wache der Polizei angekommen, verhören sie den Mann. Sie geben also zu, den Herrn Kördhar mit dem Strick erhangen und anschließend vom Geländer des Balkons gestoßen zu haben, fragte Brohm. Welchen Kördhar und welchen Strick, fragte der Mann, immer noch schwer von seinem Kater gezeichnet. Ich weiß überhaupt nicht, wovon sie reden. Ich war gestern in meiner Stammkneipe und da gab es Streit mit einem Gast. Der wollte mir meine Bierflasche wegnehmen und da habe ich, wohl ein bisschen zu kräftig, geschubst, sodaß er vor den Tresen gefallen ist. Da hat der Wirt wohl die Polizei gerufen und die haben mich mitgenommen. Von einem Kördhar und einem Strick weiß ich nichts.
Wir werden ihre Angaben überprüfen, bis dahin bleiben sie erst einmal vorläufig festgenommen, wegen dringenden Tatverdachtes, den Herrn Kördhar ermordet zu haben. Ihr könnt ihn wieder in sein Zelle bringen, sagte Hauptkommissar Wegner zu den Beamten.
Ich weiß nicht, wenn der wirklich so betrunken war und sich mit dem Gast um eine Flasche Bier geprügelt hat, würde seine Aussage einen Sinn ergeben. Laß uns zu der Kneipe fahren und dort den Wirt fragen, wann und wie lange der Verdächtige an dem Tag da war.
Kenne sie diesen Mann, fragen Wegner den Wirt. Ja, den kenne ich, der ist oft hier, trinkt meist einen zu viel und pöbelt dann schon mal die Gäste an. Was war an dem besagten Abend? Ab wann war er hier bei ihnen. Das muß so gegen acht Uhr abends gewesen sein, meine Frau ist um diese Zeit gerade nach oben zu den Kindern gegangen, ja, es war gegen acht.
Das würde ja heißen, er kommt als Täter nicht in Frage, denn wir waren so gegen viertel zehn am Tatort, er aber seit acht in der Kneipe und der Todeszeitpunkt lag zwischen halb neun und neun, laut Aussage der Gerichtsmedizin. Also doch Selbstmord, fragte Gedankenverlorenen Brohm seinen Kollegen.
Fassen wir noch einmal zusammen, Kördhar ist zwischen halb neun und neun gestorben, er hat sich am Balkongeländer seiner ehemaligen Freundin mit einem handelsüblichen Strick, den man in jedem Baumarkt bekommt erhangen – oder wurde erhangen, fügte Wegner ein. Die Spurensicherung fand keinerlei Anzeichen von einem Einbruch in die Wohnung. Es wurden keine Fingerabdrücke an den Türen der Wohnung und an der Balkontür von Kördhar gefunden. Die Balkontür war von innen geöffnet und nur angelehnt. Es gab keine Leiter, mit der er sich hätte von unten aufhängen können, sonst wäre sie ja unter ihm liegen geblieben, es sei denn, er hatte einen Helfer, warf Wegner ein. Wie ist der Mann an dieses Balkongeländer gekommen?

Gleißende Sonne am Himmel, der Wagen fährt in einem ruhigen Tempo über die von Winterreifen schon arg strapazierte Autobahn in Richtung Zentrum. Ich habe uns ein besonders schönes Zimmer mitten in der Stadt reservieren lassen. In diesem Hotel war ich selbst auch noch nicht, es wurde mir empfohlen. Der Weg führt über Brücken, vorbei an Wasser, das die Stadt zu teilen versucht, bis hin zu einem, direkt am Wasser gelegenen Hotel. Wir sind angekommen, sagte ich zu Anka. Hier werden wir beide das Wochenende verbringen.
Nach dem Einchecken brachten wir unser Gepäck nach oben und begutachteten unser Zimmer. Ein herrlicher Ausblick auf die alten, historischen Gebäude der Stadt erschloß sich uns. Am Zimmer war ein Balkon, von dem aus man die gesamte Altstadt und einen Teil des Fährhafens sehen konnte. Anka war glücklich, ihre Augen strahlten wie zwei Sterne und sie gab mir einen langen, zärtlichen Kuß. Laß uns in die Stadt gehen, ich möchte mir das alles von Dichtem besehen.
Kleine Gässchen eröffneten uns eine Vielfalt von Geschäften, und gastronomischen Einrichtungen. Chinesische, einheimische und auch ein thailändisches Restaurant gab es hier. Chinesisch kann ich zu Hause essen, sagte Anka aber ich war noch nie in einem Thailändischen Restaurant, dann laß uns hier hinein gehen, sagte ich und nahm sie an die Hand.
Auf der Karte konnte man die Gerichte nur in der Landessprache und in Englisch lesen. Wir suchten uns etwas aus und ließen uns dann doch sicherheitshalber vom Kellner beraten. Er servierte uns einen Teller mit 4 verschieden Soßen zu dem Gericht mit unterschiedlichen Dipps, dazu gab es Brot. Fangen sie am besten von links an, diese Soße ist nicht ganz so scharf, sie werden dann immer schärfer. Die Letzte müssen sie nicht unbedingt ausprobieren, sagte er noch mit einem Lächeln, bevor er sich den anderen Gästen zuwandte.
Gesagt, getan, wir begannen also, wie empfohlen mit der „nicht ganz so scharfen“ Soße als Dipp. Wenn man in einem japanischen Restaurant die grüne Wasabi Paste mit Sojasoße streckt, dann hat man eine ungefähre Geschmacksrichtung und Schärfe, wie Soße Nummer eins. Aber es wurde besser. Soße Nummer zwei, hatte die Schärfe einer Chilischote. Bei Nummer drei fehlte nur noch ein Feuerzeug und hätte Flammen gespuckt, Nummer vier haben wir dann doch nicht mehr probiert. Dann kam der größte Fehler, ich trank Mineralwasser zum „löschen“ was so ungefähr die Wirkung hat, wie Wasser auf brennendes Fett, man könnte explodieren. Der Kellner, der das Spektakel wohl beobachtet haben muß, riet mir dann, ich solle doch etwas von der Kokosmilch trinken, die er gleich im Vorfeld serviert hatte. Das unsere Rettung, denn auch Anka wollte ihr Wasser trinken, hatte sich aber angesichts meiner Mimik dann doch nicht getraut und griff jetzt auch zur Kokosmilch.
Noch eine gute Stunde später war mein Mund taub. Ich hätte mir ohne Betäubung ein Zungenpiercing stechen lassen können, glaube ich, so ein Gefühl oder besser gesagt „Nichtgefühl“ hatte ich. Anschließend machten wir einen ausgiebigen Spaziergang, entlang an den historischen Gebäuden der Stadt, vorbei am Wasser, daß zum Fährhafen floß, hin zu unserem Hotel. Dort wieder zurück, suchte Anka in ihrer Tasche nach etwas. Ich habe uns für heute Abend eine Flasche Wein mitgebracht. Wir machen es uns im Hotelzimmer gemütlich und du suchst uns einen schönen Film aus. Es wurde ein langer, wunderschöner Abend, an dem der „Geist des Weines“ einen nicht unwesentlichen Anteil hatte und unsere gemeinsame Lust aufeinander. Viel zu schnell verging dieses Wochenende, doch Anka mußte wieder zurück nach Hause.

Ich bin noch einmal alle Fakten durchgegangen, Karl-Heinz, und habe auch noch einmal alle möglichen Situationen, mit denen man sich erhängen könnte durchgespielt. An eine Variante haben wir noch nicht gedacht. Nehmen wir mal an, es war Selbstmord und Kördhar hatte aber trotzdem Hilfe, also Beihilfe zum Selbstmord. Wenn er nun, statt wie wir die ganze Zeit angenommen haben nicht vom Balkon mit dem Seil um den Hals heruntergesprungen, mit einer Leiter von unten am Balkon angebunden und dann die Leiter weggestoßen, sondern auf einem Autodach gestanden hat und das Auto ist dann schnell unter ihm weggefahren. Dann würde es einen Komplizen geben, richtig? Ja, aber den würde es auch geben, wäre die Leiter im Spiel, denn der kann diese ja auch haben verschwinden lassen. Da hast du Recht, Karl-Heinz, aber wenn jemand um diese Zeit mit einer Leiter durch die Gegend läuft, dann sollte er dabei gesehen worden sein. Fährt aber ein Auto um diese Zeit weg, dann ist das nichts Außergewöhnliches und niemand nimmt davon Notiz, nicht einmal, wenn es ein Kennzeichen ist, das nicht in die Region passen würde.
Also suchen wir ein Fahrzeug, das zwischen halb neun und neun hier in der Gegend weggefahren ist. Na, prima, geht das Ganze wieder von Vorne los. Vielleicht auch nicht, entgegnete Wegner, ich hab da so eine Idee. Wir gehen noch einmal zu den Schweigerts, laß mich mal sehen, ob wir nicht mit einem kleinen Trick etwas mehr Licht in den Fall bringen können. Da bin ich aber gespannt, was du jetzt vor hast.
Sie mußte mehrfach klingeln, da aber von unten Licht in der Wohnung zu sehen war, gaben sie nicht auf. Beide standen vor der Haustür der Schweigerts und warteten, daß ihnen geöffnet wird. Anka Schweigert öffnete ihnen, was gibt es denn nun noch meine Herren? Wir haben da noch ein paar offene Punkte, über die wir mit ihnen reden möchten. Sind ihre Tochter und ihr Freund auch da, an sie hätten wir auch noch Fragen? Ja, sind beide oben, kommen sie mit, sagte Anka Schweigert mit einem genervten Ton.
Die Herren Kommissare, kann ich ihnen etwas anbieten, fragte Narthelia höfflich, sich einen bösen Blick der Mutter einfangend. Ich mache ihnen einen Kaffee, wie beim letzten Mal oder möchten sie etwas Anderes? Einen Kaffee, gern, antwortet Wegner, für mich auch bitte, schickte Brohm hinterher. Frau Anka Schweigert, sie waren doch in der besagten Zeit, in der Herr Kördhar ums Leben kam hier im Dorf bei einer Bekannten, wenn ich das Protokoll richtig gelesen habe. Können sie sich noch genau erinnern, wann sie zu ihr gegangen sind? Es muß so gegen acht Uhr abends gewesen sein, wir hatten uns auf ein Glas Wein verabredet. Mit der Uhrzeit sind sie sich absolut sicher? Ja, warum fragen sie, meine Freundin kommt immer um diese Zeit von der Arbeit und ich war ausnahmsweise mal etwas früher zu Hause.
Hatte es einen bestimmten Grund, warum sie an diesem Tag früher von der Arbeit kamen oder passiert das öfter? Das kommt schon ab und an vor, ich kann es aber selten beeinflussen, je nachdem was gerade im Geschäft los ist. Einen anderen Grund gab es dafür also nicht? Nein, sagte ich doch bereits, sagte Anka Schweigert laut werdend.
Frau Narthelia Schweigert, sie haben angegeben, daß sie zu der angegebenen Uhrzeit bei ihrem Freund waren, warum und warum zu dieser Uhrzeit? In der letzten Woche hatten wir beide etwas Stress miteinander, wir haben uns gestritten und ich wollte ihn mit einem kleinen Geschenk überraschen, da bin ich von hieraus zu ihm gefahren.
Moment, sie sagten gefahren, im Protokoll habe ich aber gelesen, sie sind zu ihn gelaufen. Da muß ich mich geirrt haben, nein, ich bin gefahren, ich wollte das Geschenk nicht tragen, es war eine selbst gebackene Torte mit Kerzen drauf, ziemlich schwer für den ganzen Weg. Er freut sich doch so über meine selbst gemachten Kuchen.
Und sie, Wegner richtete den Blick zum Freund von Anka Schweigert, sie waren doch mit ihrem Auto unterwegs und kamen erst gegen halb zehn hier an? Ja, soweit ich mich erinnern kann, ist das richtig. Wieso, soweit sie sich erinnern können, er hatte an diesem Tag was getrunken, wohl etwas zu viel, wie die Kollegen, bei der Vernehmung festgestellt hatte, unterstütze Brohm seinen Kollegen.
Sie sind also in einem angetrunkenen Zustand mit ihrem Auto gefahren und erzählen mir, sie können sich noch an die Uhrzeit erinnern, an der sie zu Hause waren. Gut, ich möchte bitte die beiden Autos sehen, das von Ihnen und das von Ihnen Narthelia. Meins steht unten vor der Tür auf dem Parkplatz, sagte Narthelia. Ehm, meins ist in der Werkstatt und da ist um diese Zeit niemand mehr. Warum ist ihr Wagen in der Werkstatt, hatten sie einen Unfall, fragte Wegner. Nein, irgendwer ist auf meinem Dach herumgeturnt, jedenfalls ist es verbeult und Kratzer sind auch drauf.
Ich glaube das nicht, da suchen wir die ganze Zeit nach einer Möglichkeit, wie sich Kördhar aufgehangen haben kann und sie kommen heute damit, daß ihr Auto auf dem Dach verbeult ist. Mann, tobte Wegner, das kann doch alles nicht wahr sein. Haben sie den Namen von der Werkstatt und die Adresse, wir müssen an den Wagen, bevor die Spuren beseitigt sind.
An der Werkstatt angekommen, treffen sie den Meister. Danke, daß sie so schnell gekommen sind. Wir müssen uns das Fahrzeug ansehen mit dem zerkratzten Dach. Kollegen, nehmt bitte alles an Spuren auf, was ihr finden könnt, auch an den Türen, stellt den Wagen auf den Kopf, ich will jedes Haar und jedes Staubkorn haben, das ihr finden könnt. Wegner war wütend, daß ihm nicht schon früher der Gedanke mit dem Auto gekommen ist, überließ aber fürs Erste das Feld den Kollegen von der Spurensicherung.
Wir rücken für heute erst einmal ab, ihr schickt mir den Bericht bitte so schnell wie möglich zu. Sie können für heute nach Hause gehen, sagte Brohm zum Freund von Anka Schweigert, aber sie halten sich zu unserer Verfügung.
Da haben wir die wahrscheinliche Lösung so dich vor den Augen und kommen erst so spät darauf, sagte Wegner zu Brohm auf der Heimfahrt, wollen wir nur hoffen, daß die SpuSi etwas Brauchbares findet.
Jetzt paß auf, sagte Brohm am nächsten Morgen zu seinem Kollegen Wegner. Die SpuSi hat in dem Auto Spuren von mehreren Personen gefunden, von dem Freund von Frau Anka Schweigert, von Anka Schweigert und von Narthelia Schweigert und noch einen weiter, die wir aber nicht zuordnen können. Sie stammt aber auf jeden Fall von einem Mann. Sag jetzt nicht von Kördhar, warf Wegner ein. Nein, dessen Spuren und DNA haben wir doch in der Datenbank, es gibt noch eine weitere Person und die müssen wir jetzt finden. Vielleicht ist der ja unser Mörder oder Mittäter und eben auch nur ein Gehilfe.
Laß uns einen DNA Test im gesamten Dorf machen. Es kann ja sein, daß wir Glück haben und die gesuchte Person ist unter den Bewohnern. Na auf die Ansprache von unserem Chef bin ich gespannt, der springt doch an die Decke, wenn er die Kosten und den Aufwand sieht, aber einen anderen Weg weiß ich derzeit auch nicht, raunte Brohm zu Wegner.
Beide Kommissare gehen in das Büro ihres Vorgesetzten und unterbreiten ihm, was sie in ihrem Fall vorhaben. Sie sind wohl von allen guten Geistern verlassen, meine Herren, tobt Kriminalrat Scholtz. Ein solcher Aufwand und dann das Personal, daß sie damit binden. Meinen Sie ich kann das rechtfertigen, wegen einem Selbstmord ? Herr Kriminalrat, Wegner versuchte ihn zu besänftigen, ob es ein Selbstmord oder doch ein Mord ist können wir derzeit nicht mit Gewissheit sagen. Die Spuren lassen beide Varianten offen und uns fehlt noch ein entscheidendes Puzzleteil. Und dazu brauchen sie gleich einen solchen Massentest in einem Dorf, daß ist ja schlimmer, als bei einem Vergewaltiger. Wegner, ich hoffe nur, sie kommen zu einem greifbaren Ergebnis und schließen dann endgültig den Fall ab, wetterte Scholtz, noch immer schlecht gelaunt. Melden Sie sich bei den entsprechenden Kollegen, ich schicke alles Notwendige per Mail gleich weiter.
Man hatte der Alte eine Laune, sagte Brohm zu Wegner, als sie wieder in ihrem Büro waren. Wenn das nicht klappt mit dem Test, dann möchte ich nicht zu ihm gehen und im die Nachricht überbringen. Womöglich versetzt er mich dann zu den Streifenhörnchen, witzelte Wegner.
Nach zwei Wochen, die Tests im Dorf waren abgeschlossen und bis auf eine ältere Dame, die in Amerika ihren Sohn besuchen war, hatten alle Dorfbewohner daran teilgenommen, lagen die Ergebnisse auf dem Schreibtisch von Hauptkommissar Wegner.
Niemand, niemand aus dem Dorf kommt in Frage, die Spuren sind eindeutig, Wegner schüttelte den Kopf. Wir haben alle Männer und sogar die Frauen überprüfen lassen, es gibt keine Übereinstimmung mit den gefundenen DNA Spuren aus dem Wagen. Die Spurenlage war doch so, daß es eine DNA gab, aber kein dazu passenden Finger oder Handabdrücke. Wenn der oder die Besagte nun Handschuhe getragen hat, die von einer andren Person stammen und darauf waren die fremden Spuren, überlegte Brohm laut. Dann war der ganze Test umsonst, sagte Wegner während er seinen Kopf in den Händen vergrub.
Das bedeutet, wir müssen unseren Verdächtigenkreis noch weiter ausdehnen. Nicht unbedingt, entgegnete Brohm. Nehmen wir mal an es handelte sich wirklich um Handschuhe, wer sagt uns denn, daß nicht einer oder eine unserer Verdächtigen diese getragen hat und nehmen wir mal weiter an, daß die Spuren von einem Bekannten oder Freund stammen.
Du hast recht, die Tochter, Narthelia hatte doch einen Freund, der wohnt nicht im Dorf und den haben wir auch nicht spurentechnisch untersucht. Wir fahren sofort zu ihm, die Adresse von seiner Wohnung und dem Arbeitgeber haben wir, also, laß uns einen Kollegen vom Labor mitnehmen. Guten Tag Herr Martens, wir hoffen, wir stören nicht, können wir reinkommen, fragte Kommissar Brohm, als sie beim Freund von Narthelia Schweigert klingelten und er die Tür öffnete. Kommen Sie rein, meine Herren, sagte dieser höflich, mit einer Geste der Hand bat er die Kommissare und den Kollegen des Labors in die Wohnung.
Wie kann ich ihnen helfen, ich habe sie doch bei meiner Freundin gesehen, kommen sie wegen dem Selbstmord in ihrem Dorf? Richtig, wir haben, wie sie sicherlich schon erfahren haben, einen DNA Test im gesamten Dorf durchgeführt, weil wir in diesem Fall auf eine Spur gestoßen sind, die wir nicht zuordnen können. Wären sie mit einem solchen Test einverstanden, sie könnten sich weigern, dann müßten wir einen Gerichtsbeschluss erwirken, wiederkommen und der Test würde dann durchgeführt. Ich habe nichts zu verbergen, sagte Maik Martens, bitte, machen sie ihren Test. Der Kollege vom Labor holte den Speicheltest heraus, fuhr einmal mit einem langen Wattestab in der Mundhöhle langsam herum, fertig.
Wir können, sagte der Kollege vom Labor, ich bin fertig. Haben sie vielen Dank für ihre Kooperation, bedankte sich Hauptkommissar Wegner und die drei Herren verabschiedeten sich. Wir melden uns bei ihnen, sobald das Ergebnis vorliegt, schickte Kommissar Brohm bei der Verabschiedung kurz hinterher.
Treffer, wir haben die DNA, es ist die von Maik Martens, ich werde ihn gleich abholen lassen, strahlte Brohm, nachdem er das Ergebnis der Untersuchung gelesen hatte. Hättest du das gedacht Ingo, daß der Martens unser Gesuchter ist? Abwarten, erwiderte Wegner, ein Gefühl sagt mir, daß er nicht unser Mann ist. Aber laß ihn uns erst einmal vernehmen.
Herr Martens, wo waren sie an dem Tag, als der Tote am Balkongeländer gefunden wurde? Ich war die ganze Woche im Ausland, mein Chef hat mich zu einem Seminar für Webdesign und Grafik nach London geschickt, die Flugtickets und die Unterlagen liegen bei mir zu Hause im Schreibtisch. Das können sie gern nachprüfen. Wie erklären sie sich dann aber, daß wir ihre Spuren im Wagen des Freundes von Frau Anka Schweigert gefunden haben? Ich habe keine Ahnung. Hat irgendjemand Zugang zu ihrer Wohnung? Er hatte den Satz noch gar nicht zu Ende gesprochen, da schlug sich Hauptkommissar Wegner an die Stirn und sagte laut, natürlich, wir hatten es die ganze Zeit vor den Augen. Es ist so einfach, wenn man jetzt die Fakten zusammen hat, wir sind so blind gewesen.
Kannst du bitte mal mit mir vor die Tür kommen, sagte sein Kollege Brohm zu Wegner. Als beide außerhalb des Vernehmungsraums waren, sagte Brohm, Ingo, kannst du mich bitte mal teilhaben lassen an deinem Gedankenblitz. Karl-Heinz, du erinnerst dich noch an die Ausführungen von der Tochter, Narthelia? Weißt du noch, wie sie von Kördhar gesprochen hat, wie sie für ihn teilweise Partei ergriffen hat, sie hat ihn gemocht, wahrscheinlich viel mehr, als sie uns zu verstehen gegeben hat. Du meinst, die beiden hatten ein Verhältnis. Blödsinn, sie hat ihn wirklich gemocht, sie hatte ihn als einen sehr guten Freund beschrieben, vielleicht hatte sie sich gewünscht, daß er der neue Ehemann an der Seite ihrer Mutter wird und dann kam die Trennung. Denke mal nach, sie hatte gesagt, daß sie damit nicht zurecht gekommen ist, sie mußte ihre Gefühle unterdrücken und dann die Bemerkung, als ich ihr sagte, er hat in der Nähe eine ganze Zeit lang gearbeitet und sie sich an einen Mann erinnerte, der Ihr auf dem Weg zur Arbeit zugewunken hat. Sie hat ihm geholfen, sie hat es nicht mehr ertragen, wie sehr er sich gequält hat. Das war kein Mord, daß war ein Selbstmord, dessen bin ich mir jetzt sicher.
Herr Martens sie können gehen. In der Zwischenzeit hatte eine Mitarbeiterin die Angaben von Martens überprüft und die Kommissare informiert. Sie könne nach Hause, ein Kollege wird sie fahren. Laß uns Narthelia Schweigert noch einmal verhören, ich habe sie schon vorsorglich herbringen lassen.
Narthelia, ich darf doch Narthelia sagen, fragte Hauptkommissar Wegner höflich und in einem betont ruhigen Ton. Wir haben mit ihrem Freund, Herrn Martens gesprochen. Seine Spuren hatten wir im Auto des Freundes ihrer Mutter gefunden. Ist er verdächtig, fragte Narthelia Schweigert aufgeregt. Was glauben sie denn, richtete sich Kommissar Brohm neugierig fragend an sie. Ich weiß nicht, aber ich denke nicht, er war doch in London zu einem Lehrgang zu der Zeit als Kördhar starb. Sie senkte ihren Kopf und in ihrem Gesicht war Trauer zu erkennen. Narthelia, begann Wegner erneut, ich glaube, sie haben uns nicht alles erzählt. Jetzt wäre der richtige Moment, um sein Gewissen zu erleichtern. Ich glaube, daß sie Kördhar geholfen haben sich selbst das Leben zu nehmen.
Ich versuche mal zu rekonstruieren, wie es meiner Ansicht nach abgelaufen ist. Sie haben Kördhar erkannt, als er ihnen Tag für Tag zugewunken hat. Sie haben sich irgendwann mit Ihm getroffen, haben über alte Zeiten gesprochen und er hat ihnen Leid getan. Sie haben sich erinnert, an die Zeit, als sie noch eine Familie waren und wußten genau, daß ihre Mutter nicht mehr einlenken würde. Das Gefühl in ihnen war so stark, daß sie dem Flehen von Kördhar nachgegeben haben, als er sie bat, ihm bei seinem Vorhaben zu helfen. Er hat sich auf das Auto des Freundes Ihrer Mutter gestellt, von dort aus kam er an das Geländer des Balkon heran, hat den Strick befestigt und kurz genug gehalten, sodaß beim Wegfahren genügend Freiraum zur Straße war und sie haben dann den Wagen schnell auf den Parkplatz gefahren.
War es so, fragte Wegner mit betont ruhiger Stimme.
Narthelia antwortet mit Tränen überlaufenem Gesicht. Ja, ich konnte in nicht mehr leiden sehen, er wollte nicht mehr leben. Die Trennung von meiner Mutter, der „schnelle“ neue Mann an ihrer Seite, das alles war zu viel für ihn, er hat es nie überwunden, nicht richtig reagiert zu haben, als er es noch hätte tun können.
Aber warum denn ausgerechnet hier. Er hat mir gesagt, er wollte sicher gehen, daß es wirklich klappt, denn der Versuch mit dem Gerüst ist ja gründlich in die Hose gegangen. Er hatte sich mit der Höhe verschätzt und hierbei war er sich sicher. Es war alles zuvor geplant, der Strick, die Länge, alles war ausgemessen, dieses sollte das letzte Mal und sicher sein.
Sie werden mit einer Anklage rechnen müssen, Beihilfe zum Selbstmord ist leider nicht straffrei.
Bei ihrer Aktenlage, sie sind nicht auffällig, haben keine Vorstrafen, leben in geregelten Verhältnissen, wird der Staatsanwalt wahrscheinlich sogar nur auf Bewährung plädieren. Sie könne vorerst gehen, dürfen aber bis zur Verhandlung nicht verreisen und melden sich bitte täglich bei ihrer nächstgelegenen Polizeistation.

Fortsetzung folgt . . .