Winter

Lautlos fallen die ersten Schneeflocken auf das Land. Kleine, weiße Schneekristalle, versuchen sich an jeden Hindernis, das sich ihnen in den Weg stellt festzuhaken. Immer wieder werden sie vom Wind abgerissen und durch die Luft gewirbelt, tanzen von Windbö zu Windbö, verschwinden hinter der Hausecke, hinter einem Baumstamm und legen sich dann sacht in einer windstillen Ecke auf dem Boden ab. Der Frost beginnt aus den Bächen und Seen bizarre Gebilde zu formen. Die ersten Eisschollen entstehen und werden vom Wind immer wieder in sich zusammen geschoben. Manchmal türmen sie sich auch zu kleinen Hügeln
am Rande der Seen auf. An den Schilfhalmen hängen dicke Eiskrusten. Es sieht so aus, als hätten sie Hosen aus Eis angezogen. Nach und nach versinkt die ganze Landschaft in einem weißen Teppich aus Schnee. Er scheint alles unter sich begraben zu wollen, was die Menschen in ihrer Unachtsamkeit im Herbst haben liegen lassen.

Ach ja, die Menschen, eine ganz besondere Spezies von Lebewesen. Aus jedem Jahresabschnitt scheinen einige von ihnen ihren persönlichen Vorteil ziehen zu können. Am Schönsten ist es, zu dieser Jahreszeit, die Kinder zu beobachten. Dick vermummt, mit einem Schal, einer Pudelmütze und Handschuhen trotzen sie der Kälte. Sie nehmen ihren Schlitten an die Hand, ihre Skier auf die Schulter und machen sich einen Spaß daraus, den nächsten noch so kleinen Hügel herunter zu fahren. Das ist ein Lachen
und Schreien vor Freude über die Talfahrt und den Spaß dabei, daß einem das Herz beim Zusehen aufgeht. Ganz Wagemutige unter ihnen testen mit ihren Schlittschuhen, ob denn das Eis auf dem See schon trägt. Aber Vorsicht, an der einen oder anderen Stelle ist die Eisschicht noch immer sehr dünn. So, daß selbst die Enten nicht von ihm getragen werden. Doch wie Kinder nun einmal sind, es wird ja auf keine Warnung der Erwachsenen gehört. Die Neugierde ist viel größer als die Vernunft und schon ist der Erste von ihnen eingebrochen. Er hatte Glück im Unglück, denn an dieser Stelle war das Wasser nur knöcheltief. Mit einer nassen Hose, nassen Armen und Tränen in den Augen geht er mit gesenktem Kopf schluchzend nach Hause. Ja, wer nicht hören will, muß fühlen. An dieser Stelle trifft das Sprichwort wieder einmal zu.

Es wird dunkel. Der Schnee beginnt unter den Winterstiefeln zu knirschen, ein Zeichen, daß diese Nacht besonders kalt wird und der Frost
sich wieder einen Teil des Sees für seine Zwecke holen wird. Der Mond
zaubert mit seinem silbernen Licht lauter kleine Sterne aus den
Schneeflocken, die am Boden liegen. Aus den Schornsteinen der Häuser steigt dicker Rauch kerzengerade in den Himmel. In den Kaminen lodern wieder die Feuer und auf den Tischen, in den Stuben, wird wieder eine Kerze angezündet. Noch ein paar Tage und das Weihnachtsfest steht vor der Tür. Weihnachten, von vielen als das Fest der Liebe bezeichnet, aber leider nur von den wenigsten auch als solches begangen. Da werden überall wieder Geschenke gekauft, meist viel zu viele, in dem Glauben viel hilft viel.