Frühling

Die Sonne leckt Tag für Tag an diesem weißen Tuch, das ihr der Winter nun schon seit drei Monaten auf die Erde gelegt hat. Stück für Stück, jeden Tag ein bißchen mehr, schafft sie es hier ein kleines Loch am Boden, dort einen kleinen Strauch, einen Baum, einen kleinen Teich mit ihrer Wärme freizulegen. Die Kraft, die sie dem Boden verleiht, wird von den Pflanzen aufgenommen. Sie schieben sich mit den Sprößlingen durch die Erde, durch den Schnee, um endlich nach der langen Zeit im Dunklen der Sonne ein Stück näher zu sein. Ringsum verschwindet der Rest des nun schon grauen Schneeteppichs. Die ersten Vögel kommen aus ihren Winterquartieren zurück. Ein sicheres Zeichen, nun hält der Frühling endlich Einzug im Land. Nichts kann ihn mehr aufhalten. Überall beginnt es zu grünen und zu blühen. Schmetterlinge tanzen durch die Luft. Es sieht fast so aus, als wollten sie von Blüte zu Blüte hüpfen. Mal gleiten sie durch die Luft, dann wieder scheinen sie kleinen Hügeln ausweichen zu wollen, die aber gar nicht vorhanden sind. Ein ständiges Auf und Ab ist ihr Flug durch die Frühlingsluft. Auch unseren gefiederten Freunden scheint die Sonne mit ihrem Licht und ihrer Wärme neue Kraft gebracht zu haben. Seit dem Morgen üben sie schon fleißig an ihren „Gesängen“. Das ist ein trällern und pfeifen, ein zwitschern und jubilieren, daß einem das Herz aufgeht. So nach und nach scheinen sich die ersten Pärchen zu finden. Sie üben sich in gemeinsamen Flügen, necken sich in der Luft und erkennen dabei, ob der Partner auch ihren Ansprüchen gewachsen ist. Ist er der Richtige für ihren Nachwuchs, dann darf er bleiben. Wenn nicht, dann sieht sie sich nach einem anderen um. Die Natur hat ihre eigenen Gesetze. Nicht jeder, der da am besten protzen kann, ist auch der richtige Partner für eine Familie. Weibchen wissen genau, wen sie wählen sollen und bei ihm bleiben sie dann auch, wenn er nicht von einem Stärkeren verdrängt wird. Und schließlich die Menschen. Wie die Natur, so putzen auch sie sich heraus. Tanken wo sie können die Energie der Sonne, wollen dabei unbedingt jeden der Sonnenstrahlen erhaschen. Was stellen sie nicht alles an, um schon vor der eigentlich warmen Jahreszeit ihrer Haut die Blässe des Winters zu nehmen. Ob auf dem Balkon, auf den Badewiesen oder einfach in den Strandkaffees, überall wird die Sonne aufgesogen. Jeder möchte so schnell wie möglich die Wärme in sich aufnehmen. Und da ist ja noch das Phänomen der „Frühlingsgefühle“. Je höher die Sonne steigt, desto mehr sie wärmt, je mehr scheinen diese Gefühle Besitz von den Menschen zu ergreifen. Die Röcke der Mädchen werden kürzer und die Bäuche der Männer werden kleiner. Jeder versucht den besten Eindruck beim anderen Geschlecht zu hinterlassen und viele sind auf der Suche nach einem neuen Partner. Der Winter und der Frust der Einsamkeit und Kälte hat sie zum Nachdenken angeregt. So bringt jedes Jahr mit seinem Frühling auch immer wieder einen Neuanfang in der Welt.